1. KAPITEL
„Sie sind es doch, oder?“
Der umwerfend attraktive Mann mit der dunklen Sonnenbrille erstarrte. Auf die bunte Passantenmenge, die am späten Nachmittag an dem Straßencafé auf der Brunswick Street entlanghastete, wirkte er einfach nur cool. Groß, breitschultrig und dunkelhaarig. Und sein Lächeln war so verführerisch, dass es ein buchstäbliches Verkehrschaos auslöste.
Aber Hannah wusste es besser.
Sie verwettete ihre gesamten Ersparnisse darauf, dass er sich seines gnadenlos guten Aussehens sehr genau bewusst war. Im Moment schien er nur verzweifelt zu hoffen, dass die ältere Dame an eine Verwechslung glaubte.
Doch er hatte kein Glück.
„Natürlich sind Sie es!“ Entschlossen stampfte die Frau mit dem Fuß auf. „Der Produzent von ‚Voyagers‘. Ich habe Sie in Zeitschriften und im Fernsehen gesehen. Meine Tochter findet Sie toll. Sie möchte sogar ein Casting mitmachen, um von Ihnen mit Zahnbürste und Schokoladenkeksen die Berge hinaufgeschickt zu werden. Und das soll was heißen! Man kriegt das Mädchen nicht mehr vom Sofa herunter. Wissen Sie was? Ich gebe Ihnen ihre Telefonnummer. Sie ist hübsch und dazu noch Single …“
Hannah, die ihrem Chef gegenübersaß, wurde von der Frau keines Blickes gewürdigt. Sie musste sich zusammenreißen, um nicht laut loszulachen.
Ihr Chef war wie die Berge, deren Bezwingung ihn berühmt gemacht hatte: ein Hüne, zäh, unnachgiebig und rätselhaft. Deshalb amüsierte sich Hannah auch jedes Mal, wenn er nervös wurde, sobald ihm ein übereifriger Fan zu nahe kam.
Hannah arbeitete seit rund einem Jahr für Bradley Knight und hatte schnell festgestellt, dass offene Bewunderung die Achillesferse ihres Chefs war. Auszeichnungen, überschwängliche Kollegen und Schmeichler – all das war ihm zuwider.
Und dann waren da die Fans. Die unglaublich vielen Fans, die ihn verehrten. Und es gab keinen Zweifel daran, dass man Bradley Knight mit seinen fast zwei Metern Größe einfach verehren musste. Ritterlich verehren musste, wie sein Name schon sagte.
Unwillkürlich spürte Hannah einen Kloß im Hals.
Sie räusperte sich und fing an, unruhig auf ihrem Stuhl umherzurutschen.
Ihr Chef durfte auf keinen Fall merken, dass auchsie in schwachen Momenten Schmetterlinge im Bauch hatte, sobald sie an ihn dachte. Dass sie feuchte Hände und Hitzewallungen bekam. Ihre heißen Fantasien konnte sie nicht einmal ihrer besten Freundin erzählen, die Hannah ohnehin ständig damit aufzog, wie nah sie täglich ihrem gut aussehenden Chef kam.
Autohupen holte Hannah in die Realität zurück, schwer atmend und mit verträumtem Blick auf Bradley.
Sie hatte hart gearbeitet und jede erdenkliche Stelle angenommen, um letztendlich ihren Traumjob zu finden. Und sie würde alles tun, um ihn zu behalten.
Abgesehen davon war es Zeitverschwendung, einen Kerl wie Bradley Knight anzuhimmeln. Er war eine harte Nuss und ließ keinen an sich heran, auch sie nicht. Und wenn es um Beziehungen ging, war Hannah bedingungslos: Sie suchte ihren Traumprinzen.
Also vergiss ihn.
Sie warf einen Blick auf ihre Uhr. Fast vier. Puh. Das vor ihr liegende Wochenende kam wie gerufen. Vier Tage Urlaub von ihrer stressigen Arbeit waren genau das, was sie jetzt brauchte.
Dann wandte sie ihre Aufmerksamkeit wieder der Frau zu. Man konnte meinen, dass sie ihren Chef mit vorgehaltenem Messer bedrohte, so gespenstisch still saß er da.
Hannah schob den Stuhl zurück und entschied sich einzuschreiten, um Bradley weitere Qualen zu ersparen. Sie legte einen Arm um die Frau und schob sie unsanft vom Tisch weg.
Die Frau schien erst jetzt ihre Anwesenheit zu bemerken. „Kennen Sie ihn?“, fragte sie atemlos.
Hannah warf einen Blick auf Bradley. Sie wusste selbst nicht, welcher Teufel sie gerade ritt, als sie der Frau zuraunte: „Besser als er sich selbst.“
Die Frau riss die Augen auf und musterte Hannah. Dabei schien ihr kein Detail zu entgehen: Die Knoten, die sich für gewöhnlich nachmittags in Hannahs Haar bildeten. Die vielen Knitterfalten in ihrem Designerkleid. Die Uhr ihres Vaters, die viel zu groß war für ihr schmales Handgelenk. Die Cowboystiefel, die unter ihrer Kleidung hervorlugten.
Die Frau lächelte.
Hannah ahnte plötzlich, dass sie mit der nichtsnutzigen Tochter verglichen wurde, die sich nie vom Sofa wegbewegte. Sie wurde kleinlaut und schwieg.
Acht Stunden zuvor hatte sie noch ausgesehen wie die persönliche Assistentin des erfolgreichsten australischen Fernsehproduzenten und Bergsteigers – und das, obwohl sie in der Provinz aufgewachsen war. Doch trotz aller persönlichen Veränderungen merkte man ihr die provinzielle Vergangenheit noch immer an …
Sie verdrängte das Thema und erwiderte schulterzuckend: „Ich bin Mr Knights persönliche Assistentin.“
„Oh.“ Die Frau nickte, als ob es keinen anderen Grund geben konnte, warum sich ein Mann wie Bradley mit einer Frau wie Hannah abgab.
Nach einem kurzen Gespräch drehte Hannah die Frau in die entgegengesetzte Richtung, gab ihr einen kleinen Schubs und winkte ihr zum Abschied zu. Geistesabwe