Kapitel Eins
»Ich hätte früher zu dir kommen sollen.« Lia spricht leise, spröde und mühsam. Ihre Blicke streifen immer wieder über die glänzende Oberfläche eines Grabsteins, als würden sie dessen Gravur ertasten und die weißen, kleinen Buchstaben streicheln. »Viel früher.« Sie hält die rechte Handfläche zitternd über ihren Mund.
Ein welkes Blatt fällt, streift den Marmor und legt sich geräuschlos auf die nasse Erde. Seine Zeit ist vorüber. Es ist längst Herbst.
»Verzeih mir, Bruno. ..«, flüstert Lia durch ihre klammen Finger. Atem steigt vor ihrem Gesicht auf, aber der dünne, feine Nebelhauch verflüchtigt sich nur wenige Augenblicke entfernt.
»Ich war so dumm.« Langsam schüttelt sie den Kopf. Verzweifelt über sich selbst, die Endgültigkeit bleiern erkennend. Obwohl noch so viel zu sagen gewesen wäre. »Du hast auf mich gewartet.«
Eine Hand legt sich behutsam auf ihren Oberarm. Still, reglos, warm. Sie hält nicht, sie heilt nicht, aber sie ist da.
»Lia.« Ein Mann räuspert sich und tritt leise näher an sie heran. »Es ist alles gut, Lia. Bewahre dir die schönen Momente. Nicht …« Alexander schaut um sich und zieht die Stirn in Falten. »Nicht das hier. Bitte.«
»Er hat sein ganzes Leben auf mich gewartet. Bevor er mich kannte. Nachdem ich gegangen war«, wispert sie und lässt ihren Arm sinken. »Und jetzt ist er hier. So einsam.«
Einsam war er all die Jahre, denkt Alexander. Aber er sagt es nicht. Das würde sie noch mehr schmerzen. »Es tut mir leid«, presst er heraus und streicht langsam mit der Hand entlang ihres Oberarms. Auf und ab. »Wirklich. Es tut mir leid. Ich habe immer gehofft, ihr wü