II
Mit einem Mausklick fuhr Varland seinen Rechner herunter und erhob sich. Er ordnete ein paar Unterlagen auf seinem Schreibtisch übereinander und legte den Stapel beiseite. Dann ergriff er die beiden Konzertkarten für die Philharmonie und steckte sie in die Innentasche seines Jacketts.
Frau Mokisch war bereits gegangen. Es lag noch ein Brief für das Institut für Literatur im Ausgangskorb. Varland blickte auf die Uhr, nahm den Brief und löschte das Licht. Es war noch genügend Zeit bis zum Beginn des Konzerts, stellte Varland fest, um einen kleinen Spaziergang zum Institut in der Dorotheenstraße zu machen und den Brief bei seinem Freund Ekkehardt Bose persönlich abzugeben. Am Ende dieser Arbeitswoche war Varland noch in der Laune für einen Bummel entlang der erleuchteten Schaufensterscheiben auf der Friedrichstraße.
Die Autos stauten sich im Feierabendverkehr. Die Luft roch nach Abgasen. Varland bewegte sich im Puls der Großstadtampeln von Grünphase zu Grünphase Richtung Norden, vorbei an teuren Bekleidungs- und Juweliergeschäften, Cafés und Kaufhäusern, bis er schließlich die Dorotheenstraße erreichte. Auf dem Flur des Instituts für Literatur kam Varland Ekkehardt Bose mit eiligen Schritten entgegen.
»Sebastian, du kommst wie gerufen!«, rief Bose, mit dem Varland eine langjährige Freundschaft verband.
Bose, ein untersetzter Mann Mitte fünfzig mit etwas zersauster Frisur, der gerne über seine Halbbrille lugte und dabei schnaufte, als ob er vom Zirkeltraining käme, hielt ein Papier in der Hand, mit dem er Varland quer durch den Flur zuwinkte.
Varland winkte mit seinem Brief zurück. »Ich habe auch etwas für dich: eine Einladung zum Alumni-Treffen der …«
Weiter kam er nicht, da Bose ihm ins Wort fiel: »Mir ist ein Prüfungsbeisitzer ausgefallen. Plötzlich erkrankt. Ich brauche ganz dringend Ersatz!«
Die beiden trafen sich in der Mitte des Ganges.
»Hier!«, bemerkte Bose und hielt Varland das Papier hin. »Ist eine mündliche Prüfung, dauert nur zwanzig Minuten. Ich wollte gerade irgendeinen Kollegen rekrutieren. Aber es ist ja keiner mehr da.«
Varland sah seinen Freund erstaunt an. »Du willst, dass ich …?«
Bose nahm Varland am Arm und zog ihn mit sich. »Ja, komm! Der Prüfling sitzt schon ganz aufgeregt in meinem Büro. Ist eine reine Formsache.«
»Aber Neuere deutsche Literatur? Ich habe doch gar nicht genügend Ahnung!«
»Du musst ja auch keine Fragen stellen. Einfach Beisitzer sein, wie das Wort schon sagt. Mehr nicht.«
Varland ließ sich widerwillig durch den Flur schieben. »Aber ich habe Konzertkarten für die Philharmonie. Um acht geht’s los, und ich …«
»Das schaffst du locker!« Bose schnaufte und blickte Varland dabei über den oberen Brillenrand hinweg freundlich an. »Was wird denn gespielt?«
Varland blickte abwechselnd auf den Prüfling auf der anderen Tischseite und auf die Uhr. In Gedanken war er bereits bei dem Ko