2.
Zwischen den Häusern von Kalamaki, die durch Neid und Vorwurf zusammengehalten wurden, hinter Steinmauern, durch die weder der Lärm von Streit noch die Stille des Unglücks drang, und wo doch Minuten später jeder Bescheid wußte, wuchs Iannis als ein Bankert auf.
Mater certus est, pater incertus. Seine Mutter war Anna, die Schwester Marias; aber kein Bauer gab damit an, auf einem Tanzfest bei Anna gelegen zu sein, von keinem der fliegenden Händler erinnerte man sich, daß er vor neun Monaten durchgekommen und gelandet war.
Anna gebar das Kind ohne Zeugen und ohne Beistand der Hebamme. Während der ersten Wochen war der Neugeborene wie tief von der Sonne gebräunt und sein Haar kraus. Das Gerücht kam auf, einer der Gatos, der Zigeuner, die damals noch in den Höhlen von Matala auf der andren Seite des Höhenzuges hausten, sei der Vater.
Aber selbst wenn man sich vergegenwärtigte, wie diese Zigeuner und ihre in Fetzen dahinschreitenden Frauen sich mitten im Sonnenlicht aufzulösen schienen, blieb es unwahrscheinlich, daß der Kindeserzeuger nicht einmal mit der Hüfte ein Gatter gestreift, nicht einmal einen Schatten im Mondlicht geworfen oder seinen Körpergeruch in einer Nische haften lassen und damit die Hunde zum Bellen gereizt hätte. Unvorstellbar war allerdings auch, daß Anna nachts nach Matala gerannt wäre, ohne dabei von dem Jaulen der Hirten begleitet zu werden. Zudem verlor Iannis binnen Monatsfrist seine Locken, an deren Stelle bräunliches, dünnes Haar nachwuchs.
Seine Herkunft väterlicherseits sollte also im Dunkeln bleiben.
Und selbst wenn es ein Gato gewesen wäre – der Vater hätte dem Sohn nie mit geheimem Stolz, der Sohn niemals ahnungslos dem Vater begegnen können, da die Zigeuner bald danach den jungen Leuten wichen, die ihre Höhlen berühmt machen sollten.
Anna war schön, was den Haß der Frauen auf sie steigerte. Ehefrauen, die für ihre Familie schufteten, verfolgten die Schwangere ebenso wie Ledige, die an ihrer Keuschheit litten. Man hörte auf mit der Schwangeren zu sprechen, versperrte ihr den Eingang zum Dorfladen und fing den Bäcker ab, um ihr das Brot wegzukaufen.
Sie und ihre Schwester stammten von den Dodekanes, genauer aus Olympos, und waren entlang einer Abstammungslinie – verwirrender als die mythologischen Varianten von Dionysos’ Herkunft – zu weitläufigem Besitz oberhalb der Küste und mehreren Häusern im Dorf gekommen.
Vor allem eine in Olympos geübte Tradition, die die Schwestern in dieses Erbe gesetzt hatte, das einige der Dorfbewohner insgeheim als ihr Eigentum beanspruchten, erregte Mißfallen in Kalamaki. In Olympos herrscht noch heute das Matriarchat. Die Männer, gewählt von ihren zukünftigen Frauen, haben keine andere Aufgabe, als das schützende Hochbett zu bestellen. Familienbesitz und -gewalt gehen jeweils auf die älteste Schwester über, der die jüngeren zu dienen haben. Als Zeichen ihrer Würde trägt diese Älteste, auch Kanakara genannt, Ketten aus Goldmünzen. Diese Münzen, über Generationen von den Urgroßvätern, Vätern, Brüdern auf ihren Fahrten übers Meer gesammelt, werden zu einem goldenen Kettenhemd, genannt Kollines, auf der Brust der geschmückten Braut vernetzt.
Maria war verheiratet gewesen, hatte ihren Mann aber, bevor dieser von sich aus das Weite suchte, nach olympischem Brauch verstoßen. Jene im Dorf, die sich durch die Kanakara um ihr Erbe betrogen fühlten, setzten das Gerücht in Umlauf, daß Maria ihrem Mann nur zuvorgekommen sei, um sich die kostspieligere, staatliche Trennung zu ersparen.
Die dre