: Lydia Davis
: Das Ende der Geschichte Roman
: Droschl, M
: 9783854208525
: 1
: CHF 13.50
:
: Erzählende Literatur
: German
: 260
: Wasserzeichen
: PC/MAC/eReader/Tablet
: ePUB
In ihrem einzigen Roman 'Das Ende der Geschichte' zeichnet Lydia Davis eine obsessive Liebesgeschichte und deren Erinnerungsspuren nach.Eine 35jährige Schriftstellerin verliebt sich in einen viel jüngeren Mann, wird durch diese Erfahrung zutiefst irritiert und zeigt nach und nach alle Symptome von Liebeskrankheit. Die allmähliche Auflösung der Geschichte bis zur endgültigen Trennung setzt Lydia Davis parallel zum allmählichen Entstehen eines Romans über eben diese Erfahrungen und Vorgänge.Neben die Erforschung des Liebeswahns in allen seinen peinlichen Details tritt etwas anderes in den Vordergrund: die Erinnerung und ihre Unwägbarkeiten, ihre dunklen Flecken und grellen Beleuchtungen. Mit kristallklarer Nüchternheit beschreibt die Autorin nicht nur die emotionalen Verwerfungen, sondern mit großer Intensität auch die äußeren Landschaften: die Pazifikküste um San Diego und um San Francisco, das Hudson Valley an der Ostküste. Mit ungeheurer Wissbegier, und ohne sich auf vorgefertigte Schreibweisen und Satzfolgen einzulassen, legt Lydia Davis in 'Das Ende der Geschichte' eine nahezu philosophische Untersuchung über das vor, was sich unserem Gedächtnis, unserer Erfahrung, unserem Wissen konstant entziehen möchte.

Als ich ihn zum letzten Mal sah, ohne zu wissen, dass es das letzte Mal sein würde, saß ich mit einer Freundin auf der Terrasse, und er kam schwitzend durch die Tür und blieb mit gerötetem Gesicht und Oberkörper und schweißnassem Haar höflich stehen, um ein paar Worte mit uns zu wechseln. Er ging auf dem rot gestrichenen Beton in die Hocke oder setzte sich auf das Eck des Lattenrosts einer Holzbank.

Es war ein heißer Junitag. Er hatte seine Sachen aus meiner Garage weggebracht und auf die Ladefläche eines Kleinlasters verfrachtet. Ich denke, er wollte sie in eine andere Garage bringen. Ich erinnere mich an seine gerötete Haut, aber die halbhohen Schuhe muss ich mir dazu denken, ebenso die im Ho cken oder Sitzen mächtigen weißen Oberschenkel und den freundlichen Aus druck, den sein Gesicht gehabt haben muss, während er sich mit den beiden Frauen unterhielt, die nichts von ihm forderten. Mir war bewusst, welchen Anblick meine Freundin und ich boten, in unseren Liegestühlen hockend, die Beine hoch gelagert, und dass ich ihm in Gegenwart meiner Freundin noch älter vorgekommen sein muss, als ich war, aber auch, dass er das unter Umständen attraktiv fand. Er ging ins Haus, um ein Glas Wasser zu holen, kam zurück und sagte zu mir, er sei nun fertig und werde aufbrechen.

Ein Jahr später, ich glaubte schon, er hätte mich vergessen, schickte er mir ein handgeschriebenes Gedicht, auf Französisch. Dem Gedicht war kein Brief beigelegt, obwohl er mich mit Namen anredete, so als handelte es sich um den Anfang eines Briefes, und obwohl er unterschrieben hatte, als wäre es das Ende eines Briefes. Als ich den Umschlag mit seiner Handschrift sah, glaubte ich zunächst, dass er mir vielleicht das Geld zurückschicke, das er mir schuldete – mehr als $ 300. Ich hatte das Geld nicht vergessen, weil sich meine Lage ge ändert hatte und weil ich es brauchte. Obwohl das Gedicht an mich adressiert war, war ich nicht sicher, was er mir damit sagen oder welche Botschaft ich aus ihm herauslesen sollte oder welche Absicht er mit ihm verfolgte. Er hatte seine Adresse auf den Umschlag geschrieben, und daraus schloss ich, dass er möglicherweise eine Antwort erwartete, aber ich wusste nicht, wie ich antworten sollte. Ich war der Meinung, ich konnte ihm nun nicht meinerseits ein Gedicht schicken, und wusste auch nicht, wie er auf dieses reagieren würde. Nachdem ein paar Wochen vergangen waren, fand ich eine Möglichkeit zu antworten, und zwar indem ich ihm schrieb, was mir durch den Kopf gegangen war, als ich seine Post erhielt, was ich dachte, was sie zu bedeuten hätte, und wie ich entdeckte, dass meine Deutung falsch war, und wie ich es auffasste und was er damit wohl im Sinn gehabt hatte, als er mir ein Gedicht über Abwesenheit, Tod und Wiedervereinigung schickte. Ich machte eine Geschichte daraus, weil mir das ebenso un persönlich vorkam wie sein Gedicht. Ich legte eine kurze Notiz dazu und erklärte, dass es mir schwer gefallen war, die Geschichte zu schrei ben. Ich schickte die Antwort an die Anschrift auf dem Briefumschlag, hör te aber nichts mehr von ihm. Ich trug seine Adresse in mein Adressbuch ein, nachdem ich eine frühere ausradiert hatte, die nicht eben lange gegolten hatte. Kei ne seiner Anschriften galt längere Zeit, und die Seite in meinem Adressbuch mit seiner Anschrift ist vom vielen Herumradieren dünn geworden und ganz weich.

Und wieder verging ein Jahr. Ich machte mit einem Fre