: Friederike Gösweiner
: Traurige Freiheit Roman
: Droschl, M
: 9783854209829
: 1
: CHF 13.50
:
: Gegenwartsliteratur (ab 1945)
: German
: 144
: Wasserzeichen
: PC/MAC/eReader/Tablet
: ePUB
Ein genauer Blick auf das Wechselspiel von Hoffnungen, Resignation und Aufbruch in der Generation der Dreißigjährigen: Am Anfang steht der Entschluss zur Flucht nach vorn: Um in Berlin als Journalistin durchzustarten, nimmt Hannah die Trennung von Jakob in Kauf. Ein Volontariat soll den Einstieg in die Karriere bringen, aber anstatt sich aus ihrer prekären Lage befreien zu können, schlittert Hannah immer weiter in eine Lebenskrise. Alles scheint ihr zu entgleiten, Karriere und feste Verhältnisse lassen auf sich warten, bis eine zufällige Begegnung sie neuen Mut fassen lässt. Doch was daraus wird, ist ungewiss - so wie alles andere auch. Wenigstens gibt es Miriam, Hannahs beste Freundin, und Skype, denn Miriam lebt in Moskau. Auch so kann sich Freiheit anfühlen: wie ein endloser Fall in die Tiefe. Präzise und konzentriert erstellt Friederike Gösweiner ein Psychogramm aus dem Prekariat und erzählt zugleich von den Verhältnissen, vom Leben jenseits aller Sicherheiten, vom Bewusstsein einer neuen »verlorenen Generation«.

Friederike Gösweiner, geboren 1980 in Rum (Tirol), studierte Germanistik und Politikwissenschaft und lebt als freie Lektorin und Journalistin in Tirol. 'Traurige Freiheit' ist ihre erste literarische Veröffentlichung, für die ihr der Österreichische Buchpreis 2016 in der Kategorie Debüt zugesprochen wird.

1

»Dann hat es wohl keinen Sinn mehr«, sagte Hannah. Es klang fragend, sie sprach leise, wie zu sich selbst. Sie sah Jakob an, der auf dem Bett lag, er lag auf ihrer Seite, nicht auf seiner, fiel Hannah auf, das sah ganz ungewohnt aus. Den Blick starr auf seine Füße am Bettende gerichtet, schwieg er, zögerte, dann hob er seinen Kopf leicht, blickte zu ihr.

»Ich möchte doch nur sehen, ob ich überhaupt gut genug bin. Ob ich eine Chance habe in Berlin. Ein halbes Jahr oder ein ganzes. Mehr nicht. Ist das so viel verlangt?«, fuhr sie fort, suchte Jakobs Blick, seine Augen. Aber er sah jetzt an ihr vorbei, sah zum Fenster hinaus, schluckte, schwieg, er schwieg lange, und sie schwieg auch. Sie wusste nicht mehr, was sie noch sagen sollte. Erschöpft ließ sie sich am Türpfosten entlang zu Boden gleiten. Sie hatte keine Lust mehr zu streiten, es hatte keinen Sinn.

Immer wieder hatten sie die gleiche Diskussion geführt in den letzten Wochen, seit Hannah die Zusage bekommen hatte für das Volontariat bei der Zeitung in Berlin. Immer wieder hatte sie versucht, Jakob zu erklären, warum sie das machen wollte, warum das so wichtig war für sie, warum sie nicht mehr länger hier sitzen wollte und darauf warten, dass ein Wunder geschähe und das Magazin, für das sie als Freie schrieb, sie plötzlich doch noch als Redakteurin einstellte. Eine andere Hoffnung für sie als Journalistin gab es nicht in der Stadt, in der sie lebten, und sie hatte es satt, sich Jakob, der Assistenzarzt auf der Kinderstation der Klinik war, so unterlegen zu fühlen.

»Warum kann ich nicht die ganze Miete übernehmen?« Jakob sah sie nicht an, als er das sagte, immer noch blickte er zum Fenster hinaus, in die Ferne.

»Aber wir leben doch nicht im 19. Jahrhundert, wie oft soll ich das noch sagen! Das ist doch keine Lösung, wenn ich mich finanziell vollkommen von dir abhängig mache!« Hannahs Stimme klang gereizt. »Und es geht außerdem doch nicht nur ums Geld!«

Nach einer kurzen Pause fuhr sie mit leiserer Stimme fort: »Ich weiß, dass das nett gemeint ist von dir. Ich weiß das. Ich weiß es wirklich. Aber es macht mich rasend. Versteh das doch! Stell es dir umgekehrt vor, bitte, stell dir vor, du würdest immer noch denselben Job haben, den du als Student hattest, du würdest immer noch so wenig verdienen wie damals, du hättest auf fünfzig Bewerbungen nur Absagen bekommen, und dann würde ich zu dir sagen: Lass mich doch einfach zahlen und alles ist gut!« Wieder war sie lauter geworden, als sie wollte.

Sie stockte, suchte Jakobs Blick, und diesmal sah er sie an. Er sah müde aus, erschöpft wie sie, dachte Hannah.

»Gar nichts ist gut. Für mich ist es nicht gut.« Sie flüsterte fast, und jetzt war sie es, die sich von ihm abwandte und nach unten blickte, auf den Boden.

Wieder schwiegen sie. Hannah hörte, wie der Kühlschrank in der Küche ansprang. Sie begann, die Parkettstäbe zu zählen, von der Tür bis zum Bett, auf dem Jakob lag, und zurück.

Dann richtete sich Jakob plötzlich entschlossen auf und erhob sich schwungvoll vom Bett. Aber als er dann neben dem Bett stand, setzte er sich sofort wieder, an den Bettrand, als sei ihm ganz plötzlich entfallen, was er eben noch geglaubt hatte, so entschlossen tun zu müssen. Die Energie, die für