9
Helsinki
Daniel Kuisma drehte den Zigarillo ein paarmal zwischen Daumen und Zeigefinger und zündete ihn dann mit einem Streichholz aus der Schachtel an, die der Kellner soeben an den Tisch gebracht hatte. Er drückte auf die Navigationstaste seines Telefons, um nach der Zeit zu sehen. 17.52 Uhr. Er war rechtzeitig hier im Café gewesen, für den Fall, dass der Journalist vonHelsingin Sanomat auch pünktlich kam. Als das Display erlosch, lehnte er sich auf dem Terrassenstuhl zurück. Der Abend wurde anscheinend, was das Wetter anging, genau das Gegenteil vom Vormittag – die Sonne brannte vom Himmel, und die Leute, die auf dem Bulevardi von der Arbeit nach Hause oder in die Straßencafés strömten, sahen so aus, als würden sie in ihrer dunklen Kleidung fast ersticken.
Nur ein paar Stunden zuvor hatte sich Daniel bereit erklärt, eine Aufgabe zu übernehmen, die sich sehr stark von allem unterschied, was er bisher gemacht hatte. Er war überrascht, dass er ein solches Vertrauen genoss. Dass man im Ministerium gerade ihn ausgewählt hatte. Nun stand er jedoch vor der großen Herausforderung, den in der kroatischen Hauptstadt verschwundenen Finnen zu finden. Und die dortige Polizei war trotz des Drucks durch den finnischen Außenminister nicht über die Anfänge hinausgekommen.
Allerdings hatte er sich gefragt, welche Möglichkeiten er denn hätte, diesen Fall zu lösen? Genau da lag der Grund für seine Zusage. Seit ihn die Frau verlassen hatte, waren die Tage immer gleich und geruhsam. Zuweilen auch bedrückend und oft sogar sterbenslangweilig – aber sie hatten seine normale Handlungsfähigkeit wiederhergestellt. Und jetzt war er bereit zu handeln. Im Nachhinein betrachtet kam Hämäläinens Vorschlag gerade richtig. Er brauchte etwas, das ihn stimulierte, etwas, in das er sich mit Feuereifer stürzen konnte.
Das Merkwürdigste an diesem ganzen Fall war, dass anscheinend niemand Jare Westerlund kannte. Zumindest nicht sehr gut. Westerlund war auf seine Weise auffallend sozial gewesen, aber an verkaterten Tagen, so die Aussage eines seiner Kollegen, »war er einfach nicht vorhanden«.
Aus Hämäläinens Unterlagen ging hervor, dass Westerlund seine Kindheit und Jugend in Tammisaari verbracht hatte. Beachtung verdiente, dass seine Eltern ungefähr zu der Zeit, als Westerlund volljährig wurde, bei einem Brand ihres Eigenheims umgekommen waren. Er wurde in einer vom Sozialamt organisierten Notunterkunft untergebracht, zog aber wenig später nach Helsinki, machte alle möglichen Gelegenheitsarbeiten und studierte schließlich an der Universität Helsinki Kommunikationswissenschaft.
Ein geradezu glücklicher Zufall half Daniel dabei, sich ein Bild von Westerlund zu machen: Einer seiner engsten Studienkollegen, Jakke Timonen, Redakteur bei Helsingin Sanomat, war mittlerweile ein wichtiges Verbindungsglied zwischen der Redaktion der größten finnischen Tageszeitung und der Helsinkier Polizei und insbesondere Raimo Hämäläinen. Die Kooperation des Polizisten und des Journalisten funktionierte äußerst effizient: Hämäläinen gab Timonen Tipps zu laufenden Ermittlungen, und der sorgte seinerseits für die Veröffentlichung bestimmter Nachrichten und Rep