Ferien!“, rief Hagen Sauerbrei, so laut er konnte. „Endlich Ferien!“ Die Sonne lächelte freundlich und warm vom Himmel herab. Ein Super-Sommer sollte es werden. Einen Jahrhundert-Sommer versprachen die Wetterfrösche. Er sprintete die Treppen hinauf, öffnete die Wohnungstür und lief in sein Zimmer. Vorsichtig stellte er den Rucksack mit den Schulsachen auf den Teppich, sodass dieser nicht umfallen konnte. Er holte tief Luft, trat drei Schritte zurück, nahm Anlauf, zielte und gab ihm einen kräftigen Tritt. Im hohen Bogen flog der Rucksack durch das Zimmer und landete in der Ecke.
„Tooooor! Tooor für Deutschland! Unglaublich! Hagen Sauerbrei schießt in der letzten Sekunde der Fußballweltmeisterschaft das alles entscheidende Tor. Deutschland wird Weltmeister!“, kommentierte er den fantastischen Schuss und sank auf die Knie. Erst dann fiel ihm ein, dass sein Zeugnis noch im Rucksack war, und kramte es schnell hervor.
Zufrieden schaute er sich das verbeulte Papier an. Fast alles Zweien und ein paar Einsen. Wenn bloß die blöde Vier in Mathe nicht wäre. Selbstverständlich hatte er in Sport die Bestnote erhalten. Im Sport war er unschlagbar. Bester Torwart der Schule. Später würde er Fußballprofi werden oder Reporter oder beides. Fußballreporter. Profifußballreporter.
Dass er mit zwölf Jahren genau wusste, was er wollte, hielt die Erzeugerfraktion – wie er seine Eltern gerne nannte, wenn sie ihn gar nicht verstehen wollten – für eine kindliche Träumerei. Manchmal nahmen sie ihn einfach nicht ernst. Schon allein der Name - Hagen? Wie waren sie nur darauf gekommen. Es gab Dörfer, die Hagen hießen. Er trug den Namen eines Dorfes. Es war zum Heulen.
Ab Sonnabend musste er für drei Wochen nachKlein Polkewitz zur Großmutter. Auch so ein Dorf. Vor zwei Jahren war er das letzte Mal da gewesen. Für ein Kind ist das eine feine Sache. Aber heute? Er war ein angehender Jugendlicher. Quasi ein Erwachsener in Lauerstellung. Was sollte er bitteschön bei seiner Oma?
Die Erzeugerfraktion behauptete, es sei unmöglich, diesen Sommer in den Urlaub zu fahren. Angeblich könnten sie vor lauter Arbeit nicht geradeaus denken. Was das mit Verreisen zu tun hatte, blieb Hagen ein Rätsel. Dass er in den Ferien allein zu Hause blieb, lehnten sie aber auch rigoros ab. Aus drei Gründen.
Erstens: Vor knapp einem Monat hatte er vergessen, das Badewasser für die Wanne auszustellen, was zu einer beträchtlichen Überschwemmung in der eigenen, wie auch in der Wohnung unter ihnen geführt hatte.
Zweitens: Vor drei Wochen hatte er den Wohnungsschlüssel auf dem Küchentisch vergessen. Eigentlich nichts Weltbewegendes. Dummerweise hatte ihn die Polizei dabei beobachtet, wie er am Regenrohr in die erste Etage geklettert war, um durch das Toilettenfenster in die Wohnung zu kommen.
Vater Sauerbrei musste H