: Andreas Keck
: Schneeblind Ein Patientenroman
: Periplaneta
: 9783943876048
: 1
: CHF 7.10
:
: Gegenwartsliteratur (ab 1945)
: German
: 200
: Wasserzeichen
: PC/MAC/eReader/Tablet
: ePUB
'Schneeblind' erzählt von einem jungen Menschen, der nicht in das Leben eintreten will. Matthias ist vierundzwanzig und wurde gerade in die Psychiatrie eingeliefert. Mit seinen eigenen Worten erzählt er, wie es dazu kam. Der Komik und dem Zynismus seiner Ausführungen ist dabei ein deutliches Maß an Tragik abzufühlen. Und so muss er als vollkommen untypischer Patient seine Nische und seine Rolle finden, mit der er die Zeit in der Klinik überbrücken kann. Im Laufe der Zeit jedoch findet er zusehends Gefallen an der Kuriosität seiner Mitpatienten, ihren schauerlichen oder wunderbaren Lebensgeschichten. Und er verliebt sich in Anna, die eigentlich auch nicht verrückt ist. Anstatt diesem 'verrückt sein' zu entgehen, will Matthias der Welt seinen Stempel aufdrücken. Er droht zu scheitern, aber er leugnet dies und sein Leugnen ist gewaltig. Er begeistert, polarisiert, irritiert und schafft es immer wieder, der gewohnten Realität ein Schnippchen zu schlagen.

Andreas Keck wurde 1973 in Weißendorn geboren und absolvierte 1997-2oo1 ein Studium der Sozialen Arbeit an der FH Benediktbeuern, sowie 1999-2oo5 das Magisterstudium der Philosophie. Er promovierte 2005 mit dem Thema 'Fürsorgetheorien des Mittelalters' Andreas Keck ist seit 2oo2 als Sozialarbeiter im ambulanten Psychiatriebereich tätig. Aus diesen unterschiedlichen Lebensbereichen hat sich der in München lebende Autor einen einzigartigen literarischen Kosmos geschaffen. Aus diesem entstanden seit 1999 die Rohfassungen mehrerer vielversprechender Romane. Nach dem Zusammenschluss mit dem Verlag periplaneta nahm Andreas Keck 2007 seine zwischenzeitlich ruhende literarische Arbeit wieder auf. 'Schneeblind' ist sein Romandebüt.

II


Am nächsten Tag war die Station nicht mehr geschlossen. Der Selbstmörder hatte sich wahrscheinlich anders entschieden.

Er wollte sich nicht mehr um die Ecke bringen. Er wollte wieder leben. Sie hatten ihn wieder soweit... Aber das ist nur eine Vermutung. Ich lernte ihn später ja auch kennen. Den Selbstmordkandidaten. Und er war sehr nett. Ich kann nur deshalb so zynisch daherreden, weil ich selber auch daran denke. Sogar ziemlich oft. An Selbstmord. Aber dazu später. Die Station war von diesem Tag an auf jeden Fall offen, und ich konnte meinen Erkundungsgang durch die Innereien der Klinik in Angriff nehmen.

Die Klinik besteht aus einem alten honorablen Bau aus der Gründerzeit. Eine Bauepoche, die an der Fassade kastige, gedrungene Vehemenz mit der schmeichelnden Eleganz der geraden Linie verbindet. Innen mit hohen Decken, schlanken, großen Fenstern, deren Holzrahmen dickweiß lackiert sind, und langen, weiten Gängen und Fluren. Man meint fast, der Architekt hätte die Räume nur um der Flure willen gezeichnet.

Ich war jetzt im Parterre. Und fühlte mich gleich besser.

Dem Boden näher zu sein. Von den Gesichtern meiner Station entfernt zu sein. Das Mädchen hatte ich seitdem nicht mehr gesehen.

Die Klinik hatte einen großen Innenhof, der als Park für die Patienten angelegt worden war. Sie promenierten. Dort. Aber hinaus wollte ich noch nicht. Ich ging in Richtung eines dunklen Ganges, an dessen Ende ein gigantischer Automat stand. Süßigkeiten. Riegel. Schokoladentafeln. Alles, was es anderswo auch gab. Die gleichen Packungen.

Die gleichen Logos. Deren Form und Farbe man noch im Schlafe aufsagen konnte. Sie sahen genauso aus wie immer. Aber alles andere war anders.

Ich war stehen geblieben. Vor dem riesigen, stummen Automaten. Starrte hinein. Wollte mich entscheiden. Für etwas. Irgendetwas. Und ich musste mich beeilen. Denn die Stille, die von den Wänden dieses dunklen Ganges drang, wurde immer lauter. Also Münzen. Die klimpern. Dann wählen. Aber was?! Hopp hopp hopp! Daim. Ein Schokoladenriegel aus hartem Karamell. Kannte ich auch aus der Werbung. Ohne ihn je probiert zu haben. Ich zog ihn aus und biss hinein. Er war völlig flach. Aber trotzdem ergiebig. Eine zarte, dünne Schokoladenschicht umzog den festen Karamellkern, der zwischen meinen Zähnen in hundert kleine Splitter zerbarst, um sich dann mit der geschmolzenen Schokolade zu vereinen und einen unvergesslichen

Gesamtausdruck zu erschaffen. Unvergesslich?! Ich erschrak. Ich erinnerte mich an den Werbespot von Daim, der monatelang vor dessen Einführung auf dem deutschen Naschwarenmarkt im Fernsehen propagiert worden war:

Eine Faust, die den Riegel hält, knallt von hinten aggressiv ge