Kabbala und Krabbelgruppe
Tee mit Madonna
Es war ein milder Herbsttag des Jahres 1998. Ein paar Journalisten aus allen Teilen Deutschlands saßen im Foyer eines noblen - pardon: natürlich des besten - Hotels in der Düsseldorfer Innenstadt herum und redete nicht viel. Sie warteten. Es war eine angespannte, erregte Atmosphäre. Auch ein gewisses Misstrauen herrschte unter jenen Auserwählten. Wie das unter Auserwählten häufig so ist.
Ich bestellte ein Glas Rioja und schwieg mit, denn das, was wir irgendwann später - Genaues wusste keiner von uns - leisten sollten, war mehr als ein Job. Es ging um Berufung. Denn irgendwo ganz in der Nähe, vielleicht sogar im selben Gebäude, war SIE. SIE, die Königin des Pop, der ultimative Inbegriff des weiblichen Role Models, der modernen Diva. Und um mit dieser strahlenden Ausnahme-Person ein paar Minuten unserer von Gewöhnlichkeit und Mittelmäßigkeit geprägten Lebenszeit verbringen zu dürfen, hatte uns die Plattenfirma “Warner” nach Düsseldorf bestellt. Die Journaille, war auf die Minute pünktlich komplett vertreten. Von der Firma hatte sich bislang niemand blicken lassen. SIE war selbstredend auch nicht aufgetaucht. SIE trägt den markenwirksamen Namen Madonna. Wobei es in ihrem Fall garantiert nicht der Name war, der sie zu einer der bekanntesten Frauen auf unserem Planeten machte. Nein, Madonna hat sich ihre Position im Pop-Olymp durch harte Arbeit, cleveres Marketing und einen unerschütterlichen Glauben an sich selbst gesichert.
Seien wir doch mal ehrlich: Es gibt talentiertere Sängerinnen und Schauspielerinnen in der Welt als sie. Auch könnte ich spontan mindestens zehn Kandidatinnen nennen, die mir begehrenswerter erscheinen. Aber egal - alle diese Frauen sind nicht Madonna. Niemand sonst ist Madonna. Sie ist keine Marke, kein Label, kein Typ denn sie ist definitiv nicht austauschbar. Eine absolute Rarität und Kostbarkeit in unserer schnelllebigen, beliebigen Zeit. Weil wir auserwählten Journalisten hier in diesem Hotel das wussten, hockten wir in diesem Foyer. Und warteten. Immerhin, der Rioja war wirklich gut...
Es waren bestimmt zwei Stunden vergangen, ehe eine freundliche Vertreterin von “Warner” plötzlich vor uns stand und uns mit gütigem Lächeln engelsgleich verkündete: “Tut mir leid, die Verspätung, Leute, aber Madonna wollte noch kurz Shoppen gehen in der City.” K U R Z ?! “Ich konnte es ihr einfach nicht abschlagen”, fuhr die nette Dame fort. Die weiblichen Vertreterinnen meiner Zunft kicherten irgendwie blöde. Shoppen, das Zauberwort der normalen Frau. Shoppen verzeiht bei ihnen alles. Die “Warner”-Lady erklärte, dass Madonna in zehn Minuten bereit sei für die Interviews - “jeder von euch hat exakt 20 Minuten, ich stoppe die Zeit”, meinte sie. Sie fächelte mit einem Stück Papier durch die Luft, auf dem der akribische Ablaufplan der Gespräche aufgelistet war. Ich war Kandidat Nummer Zwei. Prima, da war noch Zeit für einen Rioja...
Während ich an meinem Glas nippte, wurde ich mit einem Mal merkwürdiger Weise vollkommen nüchtern. Ich dachte bei mir: “Warum dieser irre Aufwand für eine einzige Person, dieses Warten, diese Nervosität, diese Huldigung?” Denn so richtig gerechnet hatte eigentlich keiner mehr mit Madonna, wenigstens damals nicht, im Frühjahr 1998. Nachdem sie im Jahrzehnt davor mit Pomp u