: Roberto Simanowski
: Abfall Das alternative ABC der neuen Medien
: Matthes& Seitz Berlin Verlag
: 9783957574213
: 1
: CHF 10,80
:
: Medien, Kommunikation
: German
: 186
: Wasserzeichen
: PC/MAC/eReader/Tablet
: ePUB
Wie viel Uber verträgt die Welt? Wie kosmopolitisch sind Todesalgorithmen? Welche Erinnerungen ruft eine digitale Madeleine hervor? Warum kam das Radio einst zu früh und das Internet zu spät? Wie wurden die Nerds Sieger der Geschichte? Wäre Faust, der nie im Augenblick verweilen wollte, heute auf Facebook? Rettet Zuckerberg das Projekt der Moderne durch Alternativen zu Religion und Ideologie? Dieses Buch erklärt Medien durch die Hintertür. Auf oft überraschende, bisweilen scheinbar abwegige, immer aber inspirierende Weise zeigt Roberto Simanowski die kulturellen Folgen technologischer Entwicklung auf.

Roberto Simanowski, 1963 geboren, studierte Literatur- und Geschichtswissenschaft an der Friedrich-Schiller-Universitä Jena, promovierte zur Massenkultur um 1800 und habilitierte sich zur Ästhetik digitaler Medien. Seine Forschungsgebiete sind Postmodernismus, Multikulturalismus, Ästhetik und digitale Medien. Simanowski ist Professor für Digital Media Studies und Digital Humanities an der City University Hong Kong. Er ist Gründer und Herausgeber des Journals für Kunst und Kultur digitaler Medien dichtung-digital.

Die Schuldfrage: Trump und Zuckerberg


Hat Facebook wirklich Trump ermöglicht? Wer gehört zu seiner geheimen »Facebook-Armee«? Wieviel Schuld trifft Zuckerberg? Und was ist mit Twitter? Die Medien überschlugen sich mit Schuldzuweisungen und machten aus jedem Rest eine Geschichte. Facebook wurde angeklagt, Lügen zugunsten Trumps zu verbreiten, seinen Anhängern einen Versammlungsort zu bieten und ihm die Möglichkeit, sie zu erreichen. Man versuchte fieberhaft, die sozialen Medien für Trumps Wahlsieg verantwortlich zu machen, nachdem man den 45. Präsidenten der USA selbst bedenkenlos hofiert hatte, als dieser noch ein belächelter, aber skandalträchtiger und also quotenwirksamer Kandidat unter vielen war.

Dann ging es um die Filterblase, die auf Facebook alle Nutzer in einen Kreis Gleichgesinnter einlullt, der schließlich so viele Hasskommentare und Gewaltandrohungen gebiert, dass die Münchner Staatsanwaltschaft sogar ein Ermittlungsverfahren gegen Zuckerberg eröffnete wegen des Verdachts auf Beihilfe zur Volksverhetzung. Damit unterstellte man Facebook genau den Einfluss auf die Gesellschaft, den das soziale Netzwerk zweifellos hat, bezichtigte aber den Richtigen für das Falsche.

Man kann Zuckerberg kaum Falschmeldungen oder die Versammlung der Falschen zum Vorwurf machen und möchte ihn, angesichts all der voreiligen Vorwürfe bis hin zur Trump-Werbung durch Mazedonische Jugendliche, fast in Schutz nehmen. Und doch: Der Verdacht besteht, dass Facebook dadurch, dass es ist, wie es ist, in mehrfacher Hinsicht Demagogen wie Trump den Weg ebnet. Sollte der öffentliche Diskurs ein Ermittlungsverfahren gegen Zuckerberg eröffnen – und zumindest als Gedankenexperiment sollte er dies zum besseren Verständnis unserer Mediengesellschaft unbedingt tun –, müsste die Anklage nicht auf Volksverhetzung lauten, sondern auf Volksverdummung. Hauptbelastungszeuge wäre weiterhin die Filterblase, aber anders, als man denkt.15

Facebook als Filterblase


Natürlich ist die Filterblase keine Erfindung Facebooks. Der menschliche Wunsch nach kognitiver Konsistenz gehört seit den 1950er Jahren zu den