: Akli Tadjer
: Wenn unsere Träume Tango tanzen Roman
: Blanvalet
: 9783641206239
: 1
: CHF 7.30
:
: Erzählende Literatur
: German
: 320
: DRM
: PC/MAC/eReader/Tablet
: ePUB
»B im Tango ist es wie im Leben - man kann seinem Partner nur dann blind vertrauen, wenn man ihn liebt ...«
Suzanne wohnt in einer kleinen Wohnung über den Dächern von Paris. Sie lebt sehr zurückgezogen - und nur für den Tanz wie ihre Mutter, die einst die berühmte Königin des Tangos war, bis sie bei einem Brand ums Leben kam und Suzanne allein zurückließ. Wenn sie keinen Tangounterricht gibt, besucht Suzanne jeden Tag einen alten Freund ihrer Mutter, der ihr von früher, von Leidenschaft, tanzenden Paaren und der Magie der Musik erzählt. Das sind die einzigen glücklichen Momente in ihrem Leben, bis sie eines Tages von einem Mann angerempelt wird, der gerade zu fliehen scheint - und ihr den Boden unter den Füßen raubt. Es ist Yan, seines Zeichens Dieb - und leidenschaftlicher Tänzer ...

Akli Tadjer ist 1954 in Paris geboren und hat dort Journalismus studiert. Er hat bereits neun Romane geschrieben, die in mehrere Sprachen übersetzt wurden. Zwei wurden in Frankreich verfilmt.

1

Noch drei Stationen – ich bin schon wieder zu spät dran, genau wie letzte Woche. Immer hänge ich zu lange bei Diego herum. Viel zu lange. Wenn er mich beim nächsten Mal in die Arme schließt, als wollte er mich ersticken, und mich in ein paar Tanzschritte rings um sein Bett zieht, während er mit seiner vor Erschöpfung heiseren Stimme »Mi solo refugio« singt, oder mich schon wieder zu einer Runde in den Park einlädt, um mit mir die Sonnenstrahlen am Himmel über La Cerisaie zu zählen, lasse ich mich nicht mehr herumkriegen.

Jaurès.

Die Metro verlässt die Tiefen des Boulevard de La Villette und verwandelt sich unter Eisengeratter und dem Quietschen der Räder auf den Schienen in eine Hochbahn. Menschen drängen sich an meinen Bauch und meinen Rücken, es stinkt nach Schweiß, Shit und ranzigem Fett – und bei diesem von übelkeiterregenden Ausdünstungen begleiteten Radau senkt sich der Abendnebel über das schwarze Wasser des Canal de l’Ourcq.

Die knallvolle Metro fährt stockend an. Ich werde hin und her geschüttelt zwischen einem riesigen Schwarzen mit rotem Fes und einer alten Chinesin mit fettigem Haar, die mir in den Nacken gähnt. Mein Handy piept, ich greife in meine Handtasche und ziehe es heraus. ZweiSMS, eine von Irène, die sich besorgt erkundigt, ob der Kurs weiter stattfindet, und eine von Benoît, der sich über meine häufigen Verspätungen beschwert, seine Nachricht endet mit einem Ausrufezeichen und einem schmollenden Smiley.

Stalingrad.

Man rempelt mich zur Seite, um auszusteigen, dann rempelt man mich zur Seite, um einzusteigen. Aus den Lautsprechern im Waggon dringt die drohende Stimme des Fahrers, er werde nicht weiterfahren, solange das automatische Schließen der Türen behindert werde. Versprochen, ja, ich schwöre es, selbst wenn Diego mein Handgelenk mit seinen von der Arthrose verkrümmten Fingern festhält, wenn er wieder und wieder behauptet, ich sei die hübscheste Tanguera seit der Tangokönigin, von jetzt an werde ich La Cerisaie pünktlich verlassen.

La Chapelle.

Alle drängeln beim Aussteigen. Die Rolltreppe ist ka­­putt. Die normale Treppe verstopft. Die Taschendiebe sind emsig bei der Arbeit. Ich bahne mir mit den Ellbogen einen Weg durch diese kompakte Menge, in der ich außer Französisch noch Arabisch, Chinesisch, afrikanische Dialekte und das Argot der Banlieue höre.

Draußen nässt feiner Regen mein Gesicht, Tropfen rinnen mir übers Haar und in den Nacken bis hinunter zwischen die Schulterblätter. Ich schlängele mich zwischen den Autos, Motorrollern und Bussen hindurch, die im großen Stau feststecken. Endlich stehe ich an der Ecke Rue Fleury und Boulevard Barbès vor dem Centre Barbara.

Hinter dem Empfangstresen lächelt mir Diakité zu, als er mich so triefnass und mit wirrem Haar eintreten sieht. Er zeigt auf seine dicke Rapperuhr, eine billige Kopie, und sagt, ich sei eine