: Gustave Flaubert
: Madame Bovary (Unzensierte deutsche Ausgabe) (Illustriert)
: EClassica
: 9783961126217
: 1
: CHF 1.80
:
: Erzählende Literatur
: German
: 360
: kein Kopierschutz
: PC/MAC/eReader/Tablet
: ePUB
Gustave Flaubert: Madame Bovary (Illustriert) Unzensierte VersionFür die eBook-Ausgabe neu editiert, in aktualisierter Rechtschreibung. Mit eBook-Inhaltsverzeichnis und verlinkten FußnotenFrankreich, um 1850: Emma, eine junge Schönheit, im Kopf eine Menge klischeehafter Träume von einem mondänen Leben, heiratet auf der Suche nach Erfüllung den Landarzt Charles Bovary. Doch bald zeigt sich, dass sie zu jung und lebenshungrig ist, um in dem Provinzstädtchen mit ihrem durchschnittlichen und unscheinbaren Ehemann glücklich zu werden - obwohl der sie über alles liebt. Emma, unbefriedigt und deprimiert, stürzt sich in eine Affäre. Sie wird zur Täterin, und ist gleichermaßen Opfer: Männer spüren ihre Ungefestigtheit und nutzen sie aus. Sie tröstet sich mit Luxus und einem neuen Liebhaber und gibt das Geld ihres Mannes dafür aus - bis kurz vor den Ruin. Ob sich eine so verfahrene Geschichte noch zum Besseren wenden kann? © Redaktion eClassica, 2016

ZWEITES BUCH

Erstes Kapitel

Abtei Yonville (so genannt nach einer ehemaligen Kapuzinerabtei, von der indessen nicht einmal mehr die Ruinen stehen) ist ein Marktflecken, acht Wegstunden östlich von Rouen, zwischen der Straße von Abbeville und der von Beauvais. Der Ort liegt im Tal der Rieule, eines Nebenflüsschens der Andelle. Nahe seiner Einmündung treibt der Bach drei Mühlen. Er hat Forellen, nach denen die Dorfjungen reihenweise an den Sonntagen zu ihrer Belustigung angeln.

Man verlässt die Landstraße bei La Boissière und geht auf der Hochebene bis zur Höhe von Leux, wo man das Tiefland offen vor sich liegen sieht. Der Fluss teilt es in zwei deutlich unterscheidbare Hälften: zur Linken Weideland, rechts ist alles bebaut. Diese Prärie, die sich bis zu den Triften der Landschaft Pray hinzieht, wird von einer ganz niedrigen Hügelkette begrenzt, während die Ebene gegen Osten allmählich ansteigt und sich im Unermesslichen verliert. So weit das Auge reicht, schweift es über meilenweite Kornfelder. Das Gewässer sondert wie mit einem langen weißen Strich das Grün der Wiesen von dem Goldgelb der Äcker, und so liegt das ganze Land unten ausgebreitet da wie ein riesiger gelber Mantel mit einem grünen silbern gesäumten Samtkragen.

Fern am Horizont erkennt man geradeaus den Eichenwald von Argueil und die steilen Abhänge von Sankt Johann mit ihren eigentümlichen, senkrechten, ungleichmäßigen roten Strichen. Das sind die Wege, die sich das Regenwasser sucht; und die roten Streifen auf dem Grau der Berge rühren von den vielen eisenhaltigen Quellen drinnen im Gebirge her, die ihr Wasser nach allen Seiten hinab ins Land schicken.

Man steht auf der Grenzscheide der Normandie, der Picardie und der Ile-de-France, inmitten eines von der Natur stiefmütterlich behandelten Geländes, das weder im Dialekt seiner Bewohner noch in seinem Landschaftsbilde besondre Eigenheiten aufweist. Von hier kommen die allerschlechtesten Käse des ganzen Bezirks von Neufchâtel. Allerdings ist die Bewirtschaftung dieser Gegend kostspielig, da der trockene steinige Sandboden viel Dünger verlangt.

Bis zum Jahre 1835 führte keine brauchbare Straße nach Yonville. Erst um diese Zeit wurde ein sogenannter ›Hauptvizinalweg‹13 angelegt, der die beiden großen Landstraßen von Abbeville und von Amiens untereinander verbindet und bisweilen von den Fuhrleuten benutzt wird, die von Rouen nach Flandern fahren. Aber trotz dieser ›neuen Verbindungen‹ gelangte Yonville zu keiner rechten Entwicklung. Anstatt sich mehr auf den Getreidebau zu legen, blieb man hartnäckig immer noch bei der Weidebewirtschaftung, so kargen Gewinn sie auch brachte; und die träge Bewohnerschaft baut sich auch noch heute lieber nach dem Berg statt nach der Ebene zu an. Schon von Weitem sieht man den Ort am Ufer lang hingestreckt liegen, wie einen Kuhhirten, der sich faulenzend am Bache hingeworfen hat.

Von der Brücke, die über die Rieule führt, geht der mit Pappeln besäumte Fahrweg in schnurgerader Linie nach den ersten Gehöften des Ortes. Alle sind sie von Hecken umschlossen. Neben den Hauptgebäuden sieht man allerhand ordnungslos angelegte Nebenhäuschen, Keltereien, Schuppen und Brennereien, dazwischen buschige Bäume, an denen Leitern, Stangen, Sensen und andres Gerät hängen oder lehnen. Die Strohdächer sehen wi