Kapitel 1
Erstkontakt: Die Schwiegermutter,
das unbekannte Wesen
Verliebtheit ist ja neurobiologisch gesehen nichts anderes als eine psychische Erkrankung mit wahnhaften Zügen.
Zwangsgedanken, manische Erregungszustände und gelegentliche Halluzinationen (Mein Handy hat gezwitschert. Doch. Ich habe es genau gehört.) würden normalerweise vollkommen ausreichen für eine anständige Einweisung in die Psychiatrie. Es gibt nur einen einzigen Grund, warum das nicht geschieht: Man kann ja nicht ganze Menschenhaufen in der Psychiatrie einquartieren.
Dann aber folgt das kalte Erwachen. Denn wenn die Bindung aus welchen Gründen auch immer die Zeit der psychischen Störung überdauert, stellt man fest: Der »einzig geliebte« Mensch mag zwar der einzige sein, den man liebt. Das ändert aber nichts an der Tatsache, dass eine ganze Sippe an ihm dranhängt, die vorher – irgendwie – noch nicht so prominent war. Und diese Sippe willjetzt das neue potenzielle Familienmitglied kennenlernen.
Genauer gesagt: die Schwiegermutter.
Normalerweise begegnet man ihr schon innerhalb des ersten Jahres der aufkeimenden Liebe, die so zart und verletzlich ist. Doch wehe, man erfüllt nicht die Erwartungen der Frau Mama. Dann wirkt diese nicht wie Dünger auf das Pflänzlein, sondern vielmehr wie ein Rasenmäher – und man steht ganz schnell wieder allein da. Denn rein instinktiv betreibt die potenzielle Schwiegermutter eine natürliche Auslese in ihrem Revier. Dem Kandidaten oder der Kandidatin drohen viele Stolpersteine: Was macht man denn beruflich? Und die eigenen Eltern, die sind hoffentlich noch zusammen, denn daran erkennt man ja immer schnell die Bindungsfähigkeit … Also nein, Vegetarismus, eine Unart, die rein gar nicht in ihr Rudel passt, der Bub isst doch so gern seinen Sonntagsbraten. Wie steht es denn mit der Religion? Und Kindern? Und Putzen? Hat man bei diesem Casting für »Deutschland sucht die Superschwiegertochter/den Superschwiegersohn« vor der Schwiegermutter-Version von Dieter Bohlen bestanden und ist in den Recall gekommen, geht es eigentlich erst richtig los.
Meine Hochzeit, zwei Schamaninnen und ein Albtraum aus 1001 Nacht
Ben und ich sind seit acht Jahren ein Paar, seit vier Jahren sind wir Eltern unserer kleinen, ziemlich niedlichen Tochter Paulina. Warum wir nicht verheiratet sind? Weil wir diesen bürokratischen Verwaltungsakt beide spießig fanden. Doch nun ist es trotzdem bald so weit: Ben hat mir während des Winterurlaubs in einer verschneiten Berghütte einen romantischen Antrag gemacht und ich habe Ja gesagt. Wir würden heiraten – und zwar am 6. Juli!
Unsere Kleinfamilie lebt in einer Vorstadt in einer großen Etagenwohnung mit wunderschöner Dachterrasse. Eigentlich ist unser Leben so schön, dass wir die Hauptdarsteller einer Fernsehwerbung für reich machende Finanzprodukte, kalorienfreie Butter oder super-mega-ultra-turbo-weiß waschendes Waschmittel sein könnten. Wäre da nicht meine zukünftige Schwiegermutter.
Hildegard hat vor 15 Jahren Bens Vater – der mittlerweile leider verstorben ist – verlassen und ist in die weite Welt aufgebrochen: Nach Stationen in Indien