: Frank Göhre
: CrimeWelten Blicke auf Autoren
: CULTurBOOKS
: 9783959880411
: 1
: CHF 4.40
:
: Biographien, Autobiographien
: German
: 100
: kein Kopierschutz
: PC/MAC/eReader/Tablet
: ePUB
Es ist eine Reise auf den Spuren einiger zu Unrecht vergessener und neu zu entdeckender Autoren in Europa und in den USA. Es sind Porträts nach den Romanen und Stories, den Erzählungen und Selbstdarstellungen von Janwillem van de Wetering, Charles Willeford, James Crumley, Daniel Woodrell u.a. Es sind Lebens- und Werkgeschichten, Psychogramme von Schriftstellern, die sich der harten Realität verpflichtet sehen. Zu schreiben nämlich, wie es ist, den Alltag zu leben und zu überleben, zu Boden zu gehen und wieder aufzustehen, um den Kampf neu zu beginnen - bis zur endgültig letzten Runde. 'Frank Göhre schafft es, dass sich die Essenz eines Autors vermittelt ... er fühlt in die Welt und in sich, er redet über das Selbstverständnis eines anderen und zugleich über sein eigenes. Ohne viel Aufhebens davon zu machen'. Alf Mayer Das ist der typische Frank-Göhre-Sound: stets präzise und zugespitzt auf den Punkt, eindrucksvoll in seiner Lakonie und sprachlichen Direktheit.« WESTFALEN-SPIEGEL, Jochen Grywatsch

Frank Göhre, Jahrgang 1943, arbeitete als Buchhändler, Bibliothekar, Verlagsangestellter und Hörfunkautor. Er lebt in Hamburg und schrieb neben Romanen (siehe www. pendragon.de) u. a. die Drehbücher zu den Kinofilmen »Abwärts«, »Die Ratte« und das mit dem Deutschen Drehbuchpreis ausgezeichnete Drehbuch »St. Pauli Nacht« (Regie: Sönke Wortmann). Göhre ist Mitarbeiter bei CULTurMAG (www.culturmag.de).

The Family


Der Rock-’n’-Roll-Reporter Ed Sanders

 

Es waren die letzten Septembertage des Jahres 1968. Am 11. April war das Attentat auf Rudi Dutschke verübt worden. »Ach, Deutschland, deine Mörder! Es ist das alte Lied. Schon wieder Blut und Tränen. Was gehst du denn mit denen, du weißt doch, was dir blüht!« (Wolf Biermann) Sieben Tage zuvor, »am 4. April 1968 knallte ein haltloser, rassistischer Lump, ein gedungener Mörder, in Memphis (Tennessee) Martin Luther King ab« – es war eine mörderische Zeit.

Es war das Jahrzehnt, zu dessen Beginn der Sowjetrusse Gagarin als erster Mensch sanft durchs All schwebte, die Amerikaner sich das Castro-Kuba wieder unter den Nagel reißen wollten, der Genosse Ulbricht den Mauerbau anordnete und im sogenannten freien Westen die Haare der Männer länger und die Röcke der Frauen kürzer wurden.

DieSpiegel-Affäre erschütterte die Bundesrepublik, John F. Kennedy gab sich auf dem Charlottenburger Rathausplatz als Berliner aus, Ludwig Erhard wurde Bundeskanzler und Cassius Clay Boxweltmeister aller Klassen. Rolling-Stones-Fans richteten nach einem Konzert in der Berliner Waldbühne Sachschäden in Höhe von vierhunderttausend Mark an, in China begann die Kulturrevolution, in Amsterdam machten die Provos Rabatz, in Paris stiegen auch Dichter und Denker auf die Barrikaden. Und die Amis legten einen Bombenteppich über Vietnam und massakrierten sämtliche Bewohner des Dorfes My Lai.

Es war die Zeit der Gemetzel, und es war die Zeit der Revolten gegen das Morden und Schlachten, gegen Imperialismus und Notstandsgesetzgebung.

Wer noch keine Dreißig war und auch nur einen Funken kritisches Bewusstsein hatte, reihte sich ein und machte Front gegen das Schweinesystem, gegen Bullen und Ausbeuter-Bosse: »Zu singen wenig, aber zu handeln genug« (Peter Rühmkorf).

 

In jener letzten Septemberwoche des Jahres 1968 aber sollte lautstark und solidarisch gesungen werden. Ein europäisch-amerikanischer Braintrust hatte in der Kruppstahl-Stadt Essen ein Fünf-Tage-Festival organisiert, die ersten »Internationalen Essener Song Tage«. Väterchen Degenhardt und Dieter Süverkrüp klampften, und Wolfgang Neuss hatte den bösen Biss. Es gab Free Jazz und satten Blues aus dem Mississippi-Delta, Chansons aus Frankreich und allerlei internationale Folklore. Höhepunkte aber waren Frank Zappa mit seinen Mothers of Invention und – »Hey, Leute, hier sind sie, direkt aus New York City – The Fugs!«.

 

Es war ein Samstag, und keiner der zigtausend Jugendlichen in der Gruga-Halle wusste, ob es draußen noch Tag oder bereits Nacht war. Vollgedröhnt mit erstklassigem Shit, aufgeputscht durch Speed schnellten die Fäuste hoch, und wild schreiend wurde der infernalische Einstieg der sieben wüst aussehenden Rock ’n’ Roller auf der Bühne wiederholt: »Fuck you President Johnson ... FUCK YOU ... I mean you’re not gettin enough good lovin, are you ... NOT ENOUGH LOVIN ...& I’m not& Mao Tse Tung don’t look like enough ... MAO TSE TUNG ... or Ho Chin Minh ... HO HO HO CHIN MINH ...& you can’t fuck too good o­n o­ne bowl of rice per day ... FUCK FUCK FUCK FOR PEACE ...« – So fing die Show an.

 

Es war der erste bundesrepublikanisch