1. Kapitel
Siebenmal hinfallen, achtmal aufstehen. Es ist nur ein Gewitter an einem ansonsten sonnigen Tag.
Zugegeben, in manchen Situationen kann ich meine eigenen Kalendersprüche kaum ertragen. Vor allem dann nicht, wenn ich auf einer Bare hilflos ausgeliefert durch die Krankenhäuser dieser Welt geschaukelt oder mit Blaulicht in das nächstliegende Krankenhaus verfrachtet werde und verzweifelt versuche, meinen Gedanken Ausdruck zu verleihen. Doch irgendwo zwischen Sprachzentrum und Mund herrscht ein Wackelkontakt, der mir das Sprechen verweigert.
»Sa-a I-scho«, höre ich verwirrte Vokale meinen Mund verlassen, während die Trage unsanft gegen eine Kante stößt. Verflucht. Buchstabenchaos im Kopf. »Wissen Sie, wie Sie heißen?«, wiederholt eine Männerstimme lautstark und überzogen deutlich. Zugegeben, meinem Notfallausweis, den sie inzwischen gefunden haben werden, ist eine gewisse Hilfebedürftigkeit zu entnehmen. Aber meine Ohren sind vollkommen in Ordnung und davon, schwer von Begriff zu sein, bin ich ebenfalls noch eine ganze Ecke entfernt. Ich kann es vielleicht nicht von allzu vielen Körperteilen behaupten, aber eins weiß ich ganz bestimmt: Meine Ohren, die sind superklasse. Allzu gern sitze ich zu Hause auf meinem Badewannenrand, rauche eine heimliche Zigarette als Hommage an meine persönliche Filmheldin Margot Tenenbaum und lausche durch die Wand hindurch gespannt den Telefongesprächen meines Nachbarn Tobi, den sein Schürzenjäger-Dasein wieder und wieder in allerlei Kalamitäten stürzt. Ich wohne dort schon bald zwei Jahre und doch konnte ich bei dem armen Kerl keinerlei Lernprozess in Liebesangelegenheiten feststellen. Mich soll es nicht weiter stören. Zum einen ist es eine unterhaltsame Ablenkung zu meinem eigenen Liebesleben, das, sagen wir es einmal nordisch nobel, in eine Art ausweglos erscheinende Flaute geraten ist. Zum anderen dient es meinen inoffiziellen Sozialstudien, einem Hobby, dem ich bei jeder sich bietenden Gelegenheit genüsslich fröne.
Die lautstarken Klänge hallen in meinem Gehirn noch immer von einer Schädelwand zur anderen. Wenn ich könnte, würde ich meine Hände an die Ohren pressen und den armen Mann anbrüllen, dass ich ihn durchaus verstanden habe, mein Gehirn derzeit nur aufgrund eines Resets und daraus resultierender Wartungsarbeiten etwas länger braucht, um die Frage zu verarbeiten und schließlich die Buchstaben für eine Antwort zusammenzukramen. Ich atme tief durch. Konzentriere dich, Sarah, du schaffst es und ganz bestimmt darfst du dann einfach schlafen. Inzwischen scheint eine gefühlte Ewigkeit vergangen, dennoch kneife ich mein Gehirn zusammen und unter größter Kraftanstrengung höre ich mich noch einmal ein »Saha Ischo« herauspressen. Nicht schlecht. Nur drei Buchstaben sind auf ihrem langen Weg von der Idee im Sprachzentrum bis zur Lautäußerung im Mundraum verloren gegangen. Und dass ich das H vom Ende meines Vornamens in die Mitte versetzt habe, um zumindest zwei Silben bilden zu können, zählt ja wohl nicht. Das F als Endlaut meines Nachnamens wurde aufgrund des Ermüdungsgrades meines Kopfes gewissermaßen hintenraus wegrationalisiert und das B ist mir momentan einfach zu anstrengend. Lippen zusammenpressen ist einfach nicht drin. Zuletzt lenke ich meine Gedanken auf das R. Nach großen Anfällen ist es ein wahrer Rabauke. Es wird am längsten verschwunden sein. Häuf