I. Die gesellschaftlichen Grundlagen für die besondere Ausbeutung und Unterdrückung der Frau im Kapitalismus
1. Produktion und Reproduktion des unmittelbaren Lebens als fundamentales Gesetz der Entwicklungsgeschichte der Menschheit
Die Entwicklung der Menschheit unterscheidet sich wesentlich von der Entwicklung der Tierwelt durch ihr mehr oder wenigerbewusst organisiertes gesellschaftliches Leben. Die menschliche Gesellschaft muss einerseits die notwendigen Mittel zum Leben beschaffen und andererseits für den Fortbestand der menschlichen Gattung sorgen. In seiner Schrift»Der Ursprung der Familie, des Privateigentums und des Staats« formulierte Friedrich Engels das fundamentale Gesetz des Werdens und Vergehens, das der Entwicklungsgeschichte der Menschheit von Anfang bis Ende zugrunde liegt:
»Nach der materialistischen Auffassung ist das in letzter Instanz bestimmende Moment in der Geschichte: die Produktion und Reproduktion des unmittelbaren Lebens. Diese ist aber selbst wieder doppelter Art. Einerseits die Erzeugung von Lebensmitteln, von Gegenständen der Nahrung, Kleidung, Wohnung und den dazu erforderlichen Werkzeugen; andrerseits die Erzeugung von Menschen selbst, die Fortpflanzung der Gattung.« (Marx/Engels, Werke, Bd. 21, S. 27/28)
Indem Menschen Lebensmittel produzieren, stellen sie die Existenz und Fortpflanzung der Gattung Mensch sicher. Der Verbrauch der Lebensmittel fällt zusammen mit der Produktion und Reproduktion der Gattung Mensch, das heißt mit der Wahrung menschlicher Existenz und ihrer Fortentwicklung. Diese umfasst auch immer die Produktion und Reproduktion menschlicher Arbeitskraft und die Höherentwicklung ihrer Arbeitsproduktivität. Der Verbrauch von Arbeit, die Anwendung der menschlichen Arbeitskraft ist gleichbedeutend mit der Produktion der notwendigen Lebensmittel.
In der Erzeugung von Lebensmitteln und von Menschen vollzieht sich der einheitliche Prozess von Produktion und Reproduktion des unmittelbaren Lebens. Diese beiden Arten von Produktion und Reproduktion bedingen die jeweilige Stufe der gesellschaftlichen Entwicklung, geben den gesellschaftlichen Einrichtungen jeweils ihre entscheidende Prägung. Dazu schrieb Friedrich Engels:
»Die gesellschaftlichen Einrichtungen, unter denen die Menschen einer bestimmten Geschichtsepoche und eines bestimmten Landes leben, werden bedingt durch beide Arten der Produktion: durch die Entwicklungsstufe einerseits der Arbeit, andrerseits der Familie.« (Marx/Engels, Werke, Bd. 21, S. 28)
Die menschliche Entwicklungändert wohl im Verlauf der Geschichte ihre gesellschaftlichen Formen, nicht aber ihre Bedingtheit durch die beiden Arten der Produktion, die jeweiligeStufe der Arbeit und der Familie.
Die Produktion und Reproduktion des unmittelbaren Lebens in der Urgesellschaft
Die Entwicklungsstufe der Arbeit zur Zeit der Jäger und Sammler in der Urgesellschaft stand in dialektischem Zusammenhang mit dem gemeinschaftlichen Leben in einer kommunistischen Haushaltung und dem kollektiven Eigentum an Land, Behausung und gemeinsam gefertigten Arbeitsmitteln.
Die Menschen lebten in Geschlechtsverbänden (Gens) zusammen, die sich gemeinsamer Abstammung rühmten und durch gesellschaftliche und religiöse Gepflogenheiten zu einer besonderen Gemeinschaft verknüpft waren. Die Familienform war anfänglich die Gruppenehe, die sich im Verlauf einer langen Zeit zur Paarungsehe weiterentwickelte.Über viele Jahrtausende hinweg machten die Menschen der Urgesellschaft die Erfahrung, dass die Gattung Mensch sich umso besser entwickelte, je mehr die Inzucht ausgeschlossen wurde. Mit der Paarungsehe war endlich die Familienform entwickelt, die jegliche Inzucht ausschloss. Auf dieser Stufe der Entwicklung war die Familie keine eigenständige Wirtschaftseinheit. Sie konnte und wollte auch gar nicht außerhalb einer größeren Gemeinschaft eigenständig existieren.
Die bürgerlichen Ethnologen (Völkerkundler) wie auch die christliche Kirche behaupten, dass die Einzelfamilie die seit jeher bestimmende Form des menschlichen Zusammenlebens gewesen wäre. Damit soll der bürgerlichen Familie Ewigkeitswert verliehen werden. Engels wies nach:»Die Familie ist unter der Gentilverfassung nie eine Organisationseinheit gewesen und konnte es nicht sein, weil Mann und Frau notwendig zu zwei verschiednen Gentes gehörten… die Familie ging auf halb in die Gens des Mannes und halb in die der Frau.« (Marx/Engels, Werke, Bd. 21, S. 100)
Diese Gesellschaftsordnung kannte nur freie und gleiche Menschen– Frauen wie Männer. Es war eine Gesellschaft ohne Staat und ohne Gesetze, ohne vom Volk getrennte Körperschaften und Obrigkeiten– ohne Ausbeutung und Unterdrückung des Menschen durch den Menschen.
Die gesellschaftliche Arbeitsteilung bestand rein naturwüchsig auf Grundlage der Geschlechts- und Altersverschiedenheit. Die Kinder wurden nur der Frau zugeordnet, da die Rolle der Vaterschaft biologisch unbekannt und gesellschaftlich nicht relevant war. Ausgehend von der Verantwortung für die Kinder und für die Ernährung besorgten die Frauen gemeinschaf