Wenn in kurzer Zeit Hunderttausende Menschen ins Land kommen, stellt das für jede Nation eine gewaltige Herausforderung dar. Und dennoch wirkt es befremdlich, dass Migration praktisch alle anderen Themen von den Titelseiten verdrängt. Den Klimawandel. Die Ungleichheit. Zerfallende Staaten. Also die eigentlichen Ursachen der Migration. Zygmunt Bauman spricht angesichts der emotionalen Debatte von einer moralischen Panik. Und er stellt die Frage, wer von dieser Panik (oder Panikmache?) profitiert. Nicht zuletzt, so der Soziologe, populistische Politiker, die endlich klare Kante zeigen können - zumindest solange sie nicht in der Verantwortung stehen.
Inmitten der Hysterie und der zunehmenden Xenophobie plädiert Bauman für Gelassenheit und Empathie. In einer Welt, in der Geld, Bilder und Waren frei zirkulieren und ob deren Kugelform sich die Menschen »nicht ins Unendliche zerstreuen können« (Kant), werden wir lernen müssen, mit den anderen zusammenzuleben.
DasShorter Oxford English Dictionary definiert »security« (Sicherheit) als einen Zustand, in dem man »vor Gefahr geschützt oder keiner Gefahr ausgesetzt ist«, zugleich aber auch als »etwas, das sicher macht; eine Schutzeinrichtung, eine Wache, eine Wehr«. Damit gehört »security« zu jenen nicht gerade häufigen (aber auch nicht seltenen) Ausdrücken, welche eine organische – und damit ein für alle Mal besiegelte – Wahlverwandtschaft voraussetzen/andeuten/suggerieren/implizieren, die den Zustand mit den zu seiner Herstellung nötigen Mitteln verbindet (eine Einheit ähnlich jener, wie sie zum Beispiel der Ausdruck »nobility«, Adel, nahelegt). DerZustand, auf den dieser Ausdruck verweist, wird zweifellos von den meisten Sprechern hochgradig geschätzt und zutiefst ersehnt; die positive Bewertung dieses Zustands und sein Ansehen in der Öffentlichkeit färben daher ab auf seine anerkanntenHüter oderHersteller, auf die sich der Ausdruck gleichfalls bezieht. Die Mittel sonnen sich im Ruhm des betreffenden Zustands und teilen mit ihm den unbestreitbar wünschenswerten Charakter. Ist dies erst einmal erreicht, folgt nahezu automatisch ein völlig vorhersehbares Verhaltensmuster, auf eine Art, wie sie typisch ist für konditionierte Reflexe. Fühlen Sie sich unsicher? Dann fordern Sie mehr staatliche Sicherheitsdienste, die Sie beschützen sollen, und/oder kaufen Sie mehr Sicherheitstechnik, mit der Gefahren sich angeblich abwenden lassen. Fühlen die Menschen, von denen Sie in Ihr Amt gewählt wurden, sich nicht hinreichend sicher? Dann stellen Sie mehr Sicherheitskräfte ein und geben ihnen größere Freiheit, so vorzugehen, wie sie es für notwendig halten – so unappetitlich, abstoßend oder gar abscheulich das von ihnen gewählte Vorgehen letztlich auch sein mag. Und machen Sie überall bekannt, was Sie getan haben!
Kürzlich tauchte im öffentlichen Sprachgebrauch ein bislang unbekannter – und in gedruckten Wörterbüchern noch nicht zu findender – Ausdruck auf, der rasch Eingang in den Wortschatz von Politikern und Journalisten gefunden hat:securitization – »Versicherheitlichung«. Was dieser Neologismus erfassen und bezeichnen soll, ist die immer häufigere Subsumption von etwas, das bislang einer anderen Gruppe von Phänomenen zugeordnet wurde, unter die Kategorie derinsecurity, der Unsicherheit. Nach dieser Neuklassifizierung fällt das betreffende Etwas geradezu automatisch in den Zuständigkeitsbereich und unter die Aufsicht der Sicherheitsorgane. Die beschriebene semantische Mehrdeutigkeit ist natürlich nicht dieUrsache dieses Automatismus, aber sie erleichtert ihn. Konditionierte Reflexe kommen ohne langatmige Argumente und anstrengende Überzeugungarbeit aus. Die Autorität des heideggerschen »Man« oder des sartreschen »l’on« (»So macht man das, oder?«) verleiht ihnen solch eine Selbstverständlichkeit und Selbstevidenz, dass man sie praktisch nicht wahrnimmt oder gar infrage zu stellen vermag. Der konditionierte Reflex selbst entzieht sich der Refl