: Reinhard Brandt
: Die Bestimmung des Menschen bei Kant
: Felix Meiner Verlag
: 9783787330263
: Blaue Reihe
: 1
: CHF 32.40
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: Deutscher Idealismus, 19. Jahrhundert
: German
: 628
: Wasserzeichen
: PC/MAC/eReader/Tablet
: ePUB
Nach Kant liegt der Zweck der menschlichen Existenz in der Moral und damit der Freiheit, auf sie richtet sich unser gesamtes Vernunftinteresse. Aus diesem gut bezeugten Zentrum werden in der vorliegenden Untersuchung die kopernikanische Wende, die Geschichtsphilosophie und vor allem die drei Kritiken interpretiert; dass die Kritik der reinen Vernunft sich als republikanischer Gerichtshof artikuliert, ist in der Leitidee der moralischen Bestimmung des Menschen begründet. Kants Wirkung beruhte auf dem Freiheitspathos, mit dem er sich gegen die Bevormundung durch die Despoten und eine scholastisch verwaltete Metaphysik stellte. Im letzten Kapitel, »Die Vierte Kritik«, werden Äußerungen untersucht, gemäß denen eine neue Kritik der reinen Vernunft die drei Kritiken der Vernunft bzw. des Verstandes (1781), der Urteilskraft (1790) und der praktischen Vernunft (1788) in ihrer Vollständigkeit begründen sollte; es wird gezeigt, dass dieses Projekt Kant notwendig schien, aber zugleich nicht durchführbar war.

Reinhard Brandt, geboren 1937, Studium Latein, Griechisch und Philosophie (Staatsexamen) in Marburg, München und Paris. 1972 bis 2002 Professor für Philosophie in Marburg, viele Gastprofessuren. 2004 Christian-Wolff-Professor in Halle. Leiter der Marburger Arbeitsstelle zur Weiterführung der Akademie-Ausgabe von Kants Gesammelten Schriften. Mitglied der Wissenschaftlichen Gesellschaft der Universität Frankfurt und korr. Mitglied der Akademie zu Göttingen, im Sommer 2005 Gast im Wissenschaftskolleg zu Berlin. Bücher: Philosophie in Bildern. Von Giorgione bis Magritte (2000, 2002); Die Bestimmung des Menschen bei Kant (2007, 2009); Können Tiere denken? (2009); Immanuel Kant - Was bleibt? (2010); Wozu noch Universitäten? (2011).

Vorrede


Die sittliche Bestimmung des einzelnen Menschen und der Menschheit im Ganzen ist das dirigierende Zentrum der Kantischen Philosophie. Die drei Kritiken (1781 bis 1790) und mit ihnen die übrigen Schriften zur Anthropologie, Geschichtsphilosophie, zur Rechtsphilosophie, Ethik und Aufklärung sehen in der Beantwortung der Frage nach der »ganzen Bestimmung« oder dem Endzweck der Menschen das eigentliche Thema und Interesse unserer Vernunft und damit der philosophischen Reflexion. Diese prägnante Zielbestimmung ist nicht das Ergebnis einer isolierten Überlegung, sondern entsteht aus dem Zusammendenken vieler tradierter Systeme und avancierter Zeitgenossen; Kant stellt sich an die Spitze einer Modernisierung der deutschen Philosophie, bei der die schwerfällige Gelehrtenmetaphysik des Wolffianismus durch ein leicht handhabbares Konzept aus Logik, Physik und Ethik1 abgelöst wird; die Ethik behandelt die moralische Bestimmung des Menschen und damit den einzig unbedingten Wert. Von ihm aus wird die Philosophie organisiert; sie zeigt, »daß die Natur in dem, was Menschen ohne Unterschied angelegen ist, keiner parteiischen Austeilung ihrer Gaben zu beschuldigen sei, und die höchste Philosophie in Ansehung der wesentlichen Zwecke der menschlichen Natur es nicht weiter bringen könne, als die Leitung, welche sie auch dem gemeinsten Verstande hat angedeihen lassen.« (A 831) In diesem Sinn ist jeder Mensch Metaphysiker, der Philosoph klärt dieses Existential nur auf und verteidigt es gegen die Angriffe einer dogmatischen oder empiristisch-skeptischen Theorie. Hier liegt die einheitstiftende Idee der kritischen Philosophie, selbst die KrV wird verständlich nur von ihrem Ende her, der »ganzen Bestimmung des Menschen« (A 840), die alle Teile der Vernunft in einem Zwecksystem im Ganzen bestimmt und verlangt, daß die KrV sich als Gerichtshof begreift. Vor diesen Gerichtshof werden Thron und Altar zitiert, er ermöglicht die rechtliche Deduktion der Anwendung der Verstandesbegriffe auf Erscheinungen in Raum und Zeit (Analytik) und destruiert im Gegenzug die vorgebliche theoretische Vernunfterkenntnis von Gott, Freiheit und Unst