2. KAPITEL
Unruhig rutschte Sophie auf dem Besucherstuhl weiter nach vorn. Auf ihren Knien lag ein ledernes Portfolio, das alle Einzelheiten bezüglich Monicas und Jakes Hochzeitsplanung enthielt.
Ihr fiel auf, wie sich die Wangen der jungen Sekretärin vor Nervosität rot färbten, als sie zum zweiten Mal in einer Minute ihren Boss anrufen sollte. Es befand sich also ein Körnchen Wahrheit an den Gerüchten über Daniel Caruanas Charakter. Im Internet war Sophie beim Studium zahlreicher Artikel allmählich aufgegangen, wie viel Respekt Geschäftspartner, Personal oder Geliebte vor seinen Launen und seinem Durchsetzungsvermögen hatten.
Ein wenig bekam Sophie sogar ein schlechtes Gewissen, weil sie das arme Mädchen tatsächlich zu einem zweiten Anruf überreden musste. Andererseits hatte sie einen ganzen Tag dafür eingeplant, um von Brisbane nach Cairns zu reisen, und Monica und Jake verließen sich auf sie.
Sophies Hauptaufgabe war es, zu vermitteln und die Wogen zu glätten. Nicht gerade ein ermutigender Gedanke. Offenbar hatte Daniel – vor allem, nachdem er und seine Schwester zu Waisen geworden waren – Monica gegenüber einen extrem ausgeprägten Beschützerinstinkt entwickelt, was die Situation ziemlich erschwerte. Zu allem Überfluss waren Daniel und Jake schon auf der Highschool nicht miteinander ausgekommen. Jedenfalls hatte Jake so etwas als möglichen Grund vorgebracht, warum Daniel seine Anrufe nicht erwiderte.
Etwas Schwerwiegendes muss zwischen ihnen vorgefallen sein, überlegte Sophie, wenn sie nicht einmal mehr ein einziges Wort miteinander wechseln.
Sie hatte Monica und Jake vorgeschlagen, selbst mit Daniel zu sprechen, aber Monica entschied sich am Ende für eine weniger offensive und dafür diplomatische Lösung. Also teilte sie ihrem Bruder die Neuigkeiten per E-Mail mit und verschwand anschließend für zwei Wochen, während Sophie die Hochzeitsvorbereitungen mit Daniel besprechen sollte.
Und wenn das glückliche Paar dann zurückkehrte, wäre der Boden für ihre Eheschließung durch Sophie bereitet, und Daniel könnte in seiner Schwester endlich die erwachsene Frau sehen, die sie war.
In Monicas Augen war das alles ganz einfach, jedenfalls hatte sie das Sophie gegenüber behauptet. Narrensicher.
Monica hatte sie fest in die Arme geschlossen und sich im Voraus bei ihr bedankt. In ihrem hoffnungsvollen Blick lag obendrein ein gewisses Maß an Verzweiflung, und Sophie schluckte deshalb ihre Einwände tapfer hinunter. Sie brachte es einfach nicht über das Herz, die jungen Liebenden im Stich zu lassen.
Jetzt kam ihr das Ganze allerdings wie eine Schnapsidee vor. Sie wurde zunehmend nervöser, als sie bemerkte, wie lange die junge Sekretärin auf eine positive Antwort von ihrem Chef warten musste. Mit den Fingernägeln trommelte Sophie auf dem Leder ihrer Mappe herum.
Narrensicher, dachte sie.Dass ich nicht lache!
Auf dem Gesicht der anderen Frau las sie inzwischen echte Angst. So einfach würde die Überzeugungsarbeit bei Monicas Bruder also nicht werden. Aber zuerst einmal musste sie diesen Mann persönlich kennenlernen, allein schon, weil sie ja bald miteinander verwandt waren.
Sophie hatte sich immer eine heile Familie gewünscht, und es war für sie wie ein Wunder gewesen, nach all den Jahren der Trennung Jake wiederzubegegnen. Auch wenn die Wiedervereinigung der Geschwister traurigerweise nur durch den Tod ihrer Mutter zustande gekommen war. Und jetzt würde sich ihre kleine Familie noch weiter vergrößern.
Monica war ein reizendes Mädchen, mit der Sophie sich auf Anhieb blendend verstanden hatte. Eine nettere Schwägerin konnte Sophie sich gar nicht wünschen. Doch die Aussicht, Daniel als Schwager zu bekommen, war dagegen nicht besonders erfreulich. Aber seine Verwandten konnte man sich eben nicht aussuchen.
Warum dauert das so lange? fragte sie sich und wechselte zum wiederholten Mal ihre Sitzposition. Dann überprüfte sie erneut, ob die Unterlagen auch wirklich vollständig waren, und starrte anschließend voller Ungeduld an die Decke. Dieser arrogante Kerl! Wenn er einfach mit ihrem Bruder telefoniert hätte, wäre dieser ganze Besuch überflüssig gewesen.
Auf Sophies fragenden Blick hin zuckte die andere Frau entschuldigend die Achseln. Seufzend sah Sophie durchs Fenster auf den von Palmen umsäumten Strand und das glitzernde Korallenmeer.
So ein Büro könnte ich mir auch gefallen lassen! Wehmütig dachte sie an ihre eigenen unspektakulären Räume in Bris