Am ersten Morgen besuchte ich das Haus von Lezama Lima. Eher zufällig, eigentlich war ich auf die Straße gegangen, um mir die Stadt anzuschauen, da es aber nicht viel zu sehen gibt – alles liegt in Ruinen, ist schmutzig und schäbig, so dass man nur danach strebt, möglichst schnell weiterzukommen –, war ich schon bald aus Alt-Havanna raus und fand mich unversehens auf dem Prado wieder, wo mir einfiel, dass es von dort ja nicht mehr weit sein konnte bis zur Calle Trocadero. Ich fragte jemand nach dem Weg, und obwohl er mir nur Unsinn erzählte, gutgemeinten natürlich, fand ich sie, nur ein paar Schritte weiter. Die Adresse hatte ich mir schon als kleiner Junge gemerkt: Trocadero 162. Ich ging also den mythenumwobenen Steg, ging den Königsweg, der jetzt eine verfallene Gasse ist, voll Pfützen und Müll und alten Männern, die vor den Haustüren sitzen und stinkige Zigarren qualmen. Ein Schild an Nummer 162 wies darauf hin, dass dies das Lezama-Lima-Museum sei. Ich lugte kurz durch die angelehnten Fensterläden, ohne große Hoffnung hineinzukommen; es war früh um zehn, und alles sah tot aus. Die Wohnung, in der Lezama gelebt hatte, ist eine von zwei symmetrischen Hälften des Erdgeschosses in einem vier- oder fünfstöckigen Haus. Es sieht nach einem Bau aus dem ersten Jahrhundertviertel aus, einem von der besseren Sorte, mit ein paar Pflanzenornamenten an der Fassade, mit Säulchen und auf den ersten Blick ziemlich umständlich wirkenden Zugängen; die Wohnungen parterre haben separate Eingänge, und es gibt noch einen extra, der vermutlich ins Treppenhaus führt. Zwar waren Klingeln dran, aber ich fragte mich, ob es den Versuch lohnte, sie zu drücken. Fast wäre ich wieder gegangen, um nachmittags noch mal zurückzukommen, als sich in der Tür neben Lezamas Wohnung eine Frau zeigte. Ich fragte sie, ob man eintreten dürfe, und sie rief jemand. Eine andere Frau kam, die sich als die Museumsdirektorin herausstellte. Sie bat mich durch einen leeren Raum, wo eine Sitzbank stand, auf der ein junges Pärchen schlief, zwei Schwarze. Die öffneten einen Spaltbreit ein Auge, warfen kurz einen Blick auf mich, rührten sich aber nicht. Die Frau führte mich in den Nachbarraum, der bis auf einen Tisch und einen Stuhl ebenfalls leer war. Dort zahlte ich ihr drei Dollar, zwei für den Eintritt und einen für die Museumsführung, die sie persönlich für mich veranstalten würde. Wir befanden uns in der zweiten Parterrewohnung des Hauses, die der Staat erworben hatte, um sie als Büro- und Lagerräume für das Museum zu nutzen, wofür man dann die beiden Wohnungen miteinander verband und die Mauer abriss, die den Innenhof mittlings teilte. Die Führung konnte nur ein paar Minuten gedauert haben, höchstens fünf bis zehn, die auswendig gelernten Erläuterungen der Museumsführerin mitgerechnet. Es gab nicht sonderlich viel zu sehen: Die Möbel sind von zweifelhafter Echtheit, die Bilder taugen nicht viel, es gibt ein paar Vitrinen mit Büchern (keine aus Lezamas eigenen Beständen, die hat seine Witwe der Nationalbibliothek übereignet), und die Hälfte der Räume – es sind fünf plus ein Korridor (das Wohnzimmer, das Schlafzimmer der Mutter, das Schlafzimmer des Dichters, Bad, Arbeits- und Esszimmer) – sind leer, ausgeschmückt lediglich mit jämmerlich schlechten Bildern, Spenden von jungen Malern. Alles ist klein, winzig klein, wie in einem Puppenhaus. Insgesamt misst die Wohnung kaum mehr als vierzig Quadratmeter. Der Hof – ein winziges Quadrat mit einem Streifen in der Mitte, da, wo vormals die