: Theobald O.J. Fuchs
: Niemand ruht ewig
: ars vivendi
: 9783869137032
: 1
: CHF 7.60
:
: Krimis, Thriller, Spionage
: German
: 280
: Wasserzeichen
: PC/MAC/eReader/Tablet
: ePUB
Als Georg Degenhardt, Chef einer kleinen Bauunternehmung, eine Abwasserleitung durch den Friedhof gräbt, entdeckt er die Reste einer unbekannten Toten im Grab eines Selbstmörders. Wenige Wochen später stößt er auf eine zweite Leiche, und da die Polizei im Dunkeln tappt, hört er sich auf eigene Faust um. Denn der Freund seines Sohnes scheint auf dem Friedhof etwas gefunden zu haben, das Licht in die Sache bringen könnte. Außerdem beginnen der Zahnarzt und der pensionierte Richter des Ortes sich für Degenhardt zu interessieren und Fragen zu stellen. Der Bauunternehmer gewinnt immer mehr Einblicke in die Abgründe hinter den spießbürgerlichen Fassaden und wühlt sich tief in die Vergangenheit. Schließlich stößt er auf eine Verschwörung aus den letzten Tagen des Zweiten Weltkriegs ... Schwarzhumorig und knallhart: eine neue Crime-Stimme in Franken.

Theobald O. J. Fuchs kam 1969 im schönen Dörfchen Artelshofen im oberen Pegnitztal auf die Welt. Er studierte Germanistik, Mathematik und Physik und promovierte 1998 in Erlangen. Er ist Mitglied der Deutschen Physikalischen Gesellschaft und Mitgestalter der Veranstaltungsreihe Radio Bernstein in der Galerie Bernsteinzimmer, beispielsweise als Verfasser von Hörspielen und Moderator verschiedener populärwissenschaftlicher Sendungen. Seit 1997 schreibt Fuchs Glossen für die Satirezeitschrift Salbader. Später begann er, im Magazin Titanic unter der Rubrik 'Vom Fachmann für Kenner' lustige Miniaturen zu veröffentlichen und Beiträge für die Kolumne 'Fürther Freiheit' in den Fürther Nachrichten zu erdichten. 2014 gewann er mit seiner Geschichte 'Der Tote im Wehr' den Jurypreis des Fränkischen Krimipreises.

 

Kapitel 2: Steinschlag

In den Tagen, die auf das mächtige Gewitter folgten, machten sich natürlich noch weit mehr, wenn nicht alle Einwohner der Gemeinde Gedanken, wie es wohl die Frau in das Grab des unglücklichen Friedrich Bayerlein geschafft haben mochte.

Am Stammtisch im GasthofJuraschanze wurde jeden Tag vom ersten Bier an, also etwa ab zehn Uhr vormittags, diskutiert, und da es zwei Wochen dauerte, bis die Polizei mit ersten Erkenntnissen herausrückte, schossen die Spekulationen ins Kraut. Niemand wusste etwas, aber jeder hatte eine Meinung. Vor allem am Sonntag, bei Frühschoppen und Schafkopf, ging es hoch her in der Wirtsstube.

Die eine der Gruppen, die sich allmählich herausbildeten, stellte die Hypothese auf, dass die Knochen und Kleidungsreste schlicht und einfach schon längst im Boden gelegen hätten, als man den Bayerlein vergrub. Oder, was ja gemäß neuesten wissenschaftlichen Erkenntnissen jederzeit vorkommen könne, durch unterirdische Bodenverschiebungen hinübergewandert seien. Vor allem der Zahnarzt Winkler, der in Artelshofen wohnte und in Velden praktizierte, und der Rammelkammer, der einen Autohandel in Hersbruck betrieb, vertraten diese These.

Dieser schlugen natürlich tausenderlei Einwände und Widersprüche entgegen. Wieso niemand gewusst haben sollte, dass dort, wo der Bayerlein zur Ruhe gebettet wurde, bereits eine Frau begraben lag? Wer es denn auch überhaupt gewesen sein sollte, da doch seit unzähligen Jahrzehnten über alle Frauen, die in der Gemeinde gestorben seien, genaue Kenntnis herrschte – zumindest darüber, wo ihr Grabstein aufgestellt worden war?

Friedrich Brunn, der für die Bauunternehmung Gg. Degenhardt als Maurer arbeitete und den alle nur den »Brunzfritz« nannten, Klaus Prütting aus dem unteren Dorf und auch Georg selbst, der die Entdeckung ja gemacht hatte, sahen die Sache ganz nüchtern und forderten eine andere Erklärung. Eine, die mit so wenigen Zusatzannahmen wie möglich auskam. Demnach, so verkündete der Prütting mit großer Selbstgewissheit der gesamten Wirtsstube, müsse der Bayerlein mit dieser Frau in einer Beziehung gestanden haben, wie auch immer es sich im Detail verhalten habe. Kurz, die Frau sei zeitgleich mit dem Bayerlein gestorben und direkt mit ihm oder, wenn’s nach dem Prütting ging, auch auf ihm in derselben Grube bestattet worden.

»Humbug!«, hieß es da, und da könne man ja gleich behaupten, dass sich die Frau freiwillig in den Sarg vom Bayerlein gelegt habe, weil sie bis in alle Ewigkeit an seiner Seite habe liegen wollen, am Ende käme man noch auf die Idee, sie sei lebendig neben der Leiche ihres Liebhabers begraben worden.

Woher man sicher sein könne, dass diese Möglichkeit auszuschließen sei, erwiderten darauf prompt die Anhänger einer Doppelbeerdigungstheorie. Umgekehrt könne die Fraktion, die behaupte, die Frau sei schon von Anbeginn der Zeit dort unten an- bzw. verwesend gewesen und gelegen, nicht leugnen, dass die Schuhe aus der jüngsten Vergangenheit stammten. Jedwede Spekulation über eine hastige Beisetzung einer Unbekannten während der letzten Kriegstage oder in dem Chaos, als später die Flüchtlingstrecks aus dem Sudetenland durchs Tal zogen, entbehre somit jeder Grundlage.

Aus dem Widerstreit der beiden am heftigsten diskutierten Erklärungen entsprang eine dritte Hypothese, die zuallererst vom Winkler vertreten und dann vom Dotzauer und vom Prütting übernommen wurde. Dass nämlich die Knochen der Frau schon lange vor dem Bayerlein unter der Erde geruht hätten, die Schuhe jedoch von einer heimlichen Liebschaft des Bayerlein diesem quasi als Abschiedsgeschenk hinterhergeschmissen worden seien. Winkler stand leidenschaftlich für diese These ein. Wieso man nicht unterscheide zwischen den Gebeinen und den Schuhen?, fragte er herausfordernd. Gebeine auf einem Friedhof seien