: Angela Eßer
: Tatort Schwaben 11 Kriminalgeschichten
: ars vivendi
: 9783869137063
: 1
: CHF 7.60
:
: Krimis, Thriller, Spionage
: German
: 136
: Wasserzeichen
: PC/MAC/eReader/Tablet
: ePUB
Schaffe, schaffe, Häusle baue' - Schwaben hat einen soliden Ruf in der Welt. Und dennoch: Hinter gut geputzten Fensterscheiben versteckt sich auch im schönen Ländle so einiges, was andere besser nicht sehen sollten. Blutspritzer, Mordwaffen und heimtückische Pläne zum Beispiel. Möglicherweise sogar vergiftete Maultaschensuppen, Spätzle mit Patronenhülsen darin oder präparierte Putzutensilien - wer weiß das schon? Von diesen und anderen kriminellen Geheimnissen der Region erzählt Tatort Schwaben - mit den besten Kurzkrimis von Kennern der schwäbischen Seele und Autoren aus dem Landstrich. Schwäbische Delikatessen, wie sie schöner und krimineller nicht sein könnten! Mit Beiträgen von: Tatjana Kruse, Wolfgang Kemmer, Willibald Spatz, Bernhard Jaumann, Marc-Oliver Bischoff, Christiane Geldmacher, Angela Eßer, Klaus Wanninger, Michael Molsner und Martin von Arndt.

Angela Eßer wurde in Krefeld geboren, studierte Theaterwissenschaft und war am Theater tätig. Sie ist Organisatorin von Krimifestivals, Autorin diverser Kurzkrimis sowie Herausgeberin von Krimianthologien. Mit ihrer Kurzgeschichte '6 Uhr 23 - Guten Morgen, München' war sie für den renommierten Friedrich-Glauser-Preis nominiert. Angela Eßer ist Mitglied im SYNDIKAT, für das sie auch sieben Jahre als Sprecherin fungierte. Sie ist Herausgeberin der bei ars vivendi erschienenen Krimianthologien Mordsappetit (2012), Nicht nur der Hund begraben (2014) und Tatort Oberbayern (2015) und Verfasserin der Menüthek Krimi - Ein perfekter Themenabend (2015).

 

Marc-Oliver Bischoff:Das Wunder in der Reithausgasse

»Wir verstehen die Zahl, aber nie das Gezählte.«

(Blaise Pascal)

 

Agathe Bauer knallt den Teller mit den Vesperbroten auf den Couchtisch: Teewurst mit Gurke, Schinken mit Spargelköpfle, Tilsiter mit Radieschen. Auf dem Tisch wartet bereits der rote Schein mit den blauen Kreuzchen, daneben steht ein randvolles Glas Prosecco. Agathe torkelt durchs Wohnzimmer zum Fernseher – nach einer FlascheAsti Spumante ist sie nicht mehr ganz sicher auf den Beinen –, und schaltet den Fernseher ein, auf dessen Vorderseite das Nordmende-Logo prangt.

»Der Aufsichtsbeamte hat sich vor dieser Sendung vom ordnungsgemäßen Zustand des Ziehungsgerätes und der 49 Kugeln überzeugt«, erklärt die Lottofee, eine Blondine mit Föhnwelle, in einer Lautstärke, die das Glas auf dem Tisch klirren lässt.

Mit einem Ächzen lässt sich Agathe in ihr Cordsofa sinken. Auf die Anstrengung erst mal ein Glas.

»Rauschkugl!«, kräht Coco im Käfig auf der Anrichte.

Agathe Bauer stößt auf. Nach einer Denkpause kontert der Vogel mit einem perfekt imitierten Rülpser. Die alte Dame und ihr Haustier werden völlig vom Geschehen auf dem Bildschirm vereinnahmt. 49 weiße Kugeln wirbeln im Plexiglasbehälter herum wie Flocken in einer Schneekugel.

»Vier«, krächzt Coco.

Der Greifarm rotiert, bekommt eine Kugel zu fassen, sie verlässt den Behälter und plumpst in eine transparente Röhre.

»Die erste Zahl ist die Vier«, sagt die Lottofee.

Agathe Bauer beugt sich vor und wirft einen Blick auf den Lottoschein. »Mischt.«

Der Behälter rotiert, ein Klackern wie von tausend Tischtennisturnieren. Die Fernsehtante zeigt ihr unnatürlich weißes Gebiss. Agathe riecht an einem Schinkenbrot.

»Siebzehn«, krächzt Coco.

Der Greifer fängt die nächste Kugel ein. Kurz darauf zeigt die Kamera in Großaufnahme die 17.

»Und die Siebzehn!«, jubiliert die Ansagerin.

Frau Bauer linst auf ihren Lottoschein. »So an Soich.«

47 Kugeln wirbeln herum.

»Dreißig«, sagt Coco.

Wenige Augenblicke später fällt die Kugel mit der Nummer 30 in ihr Häuschen.

»Heilandzagghurahaglnomol!«, erregt sich Frau Bauer. Noch immer kein Treffer.

Der Papagei schlägt aufgeregt mit den Flügeln: »Ein. Und. Vierzig!«

»Und die Einundvierzig«, verkündet die Lottofee.

Frau Bauer lässt die blaugeäderte Hand auf den Couchtisch sausen, dass die Kanapees vom Teller hüpfen.

46 und 47 – die Kugeln plumpsen in ihre Häuschen, so wie der Papagei es vorhergesehen hat. Agathe schnippt zornig das Radieschen vom Tilsiter. Unten rechts auf dem Fernsehbildschirm bleibt es kleben, und so mysteriös wie das weiße Fruchtfleisch leuchtet, sieht es aus wie ein Loch, das in eine andere Dimension führt.

»Sechs!«, kreischt das Tier.

»Und die Superzahl ist die 6!«, schließt die Lottodame die Ziehung.

»Subbr!«, kommentiert Coco und verbe