: Renée Schroeder, Ursel Nendzig
: Die Erfindung des Menschen Wie wir die Evolution überlisten
: Residenz Verlag
: 9783701745371
: 1
: CHF 14,40
:
: Naturwissenschaften allgemein
: German
: 224
: Wasserzeichen
: PC/MAC/eReader/Tablet
: ePUB
Wir können nicht erwarten, dass sich die Evolution um das Überleben der Menschen kümmert. Wenn wir überleben wollen, müssen wir das selber tun. Vor 70.000 Jahren war der Mensch zum ersten Mal in der Lage, etwas zu denken, was es nicht gibt. Was banal klingt, ist die Geburtsstunde der menschlichen Kultur und der Startschuss für eine Reihe von Erfindungen, die den Menschen geprägt und nicht nur zum Besseren verändert haben. Er erdenkt Mythen, Religionen, erfindet Sprache, Geld und Rassismus. Jetzt steht der Mensch kurz vor seiner größten Erfindung: sich selbst. Denn die Wissenschaft ermöglicht es ihm, seine Evolution selbst fortzuschreiben. Renée Schroeder blickt auf die kurze Zeit, die der Mensch bisher gelebt hat, macht einen Ausflug in seine Genetik und ruft eine neue Aufklärung aus.

Renée Schroeder, geboren 1953 in João Monlevade, Brasilien, studierte Biochemie in Wien, verbrachte ihre Lehrjahre in München, Paris und in Albany/NY. Seit 2005 leitet sie das Department für Biochemie und Zellbiologie an der Universität Wien. 2001-05 Mitglied der Bioethik-Kommission der österreichischen Bundesregierung, 2003 erhielt sie den Wittgensteinpreis und 2011 den Eduard Buchner Preis. Österreichs Wissenschaftlerin des Jahres 2002.

KAPITEL 2


WANN DER MENSCH GELEBT HABEN WIRD


Zahlen mit vielen Nullen, eine kränkende Perspektive, ein sich ausweitendes Universum und das kurze Leben im Anthropozän.

Kein Grund zur Eitelkeit: Der Mensch ist nicht so wichtig, wie er glaubt. Ich möchte hier seine Existenz – die Zeit, in der der Mensch gelebt haben wird; die Zeit, bis die Biologie auf der Erde beendet sein wird – in eine angemessene Perspektive rücken. Der Mensch ist weder die Krone einer Schöpfung noch das Ziel der Evolution. Auch wenn sich einige Menschen für das Ebenbild Gottes halten: Dieses spiegelt eher den Charakter seiner Erfinder wider als die universelle Stellung der Menschheit. Um es klar zu sagen: Der Mensch ist nicht der Grund, warum es vor 14 Milliarden Jahren geknallt hat!

Wenn wir den Zeitraum, in dem der Mensch gelebt haben wird, in Bezug zur Existenzdauer unseres Universums setzen, werden wir sehr überrascht sein. Wie kurz ist doch die Lebensdauer des Homo sapiens! Ich finde es großartig, dass die Astrophysik in der Lage ist, solche Schätzungen und Berechnungen zu liefern.

Die Zeitspanne der Existenz unseres Universums wird auf etwa 1080 bis 1090 Jahre geschätzt. Das ist eine Zahl mit achtzig bis neunzig Nullen, also in etwa 1 000 000 000 000 000 000 000 000 000 000 000 000 000 000 000 000 000 000 000 000 000 000 000 000 000 000 000 000 000 000 Jahre. Wir befinden uns jetzt gerade bei 13,8 Milliarden, 1,38 × 1010 Jahre nach dem Urknall. Das ist eine Zahlmit 11 Ziffern: 13 800 000 000 Jahre. Das Universum ist also erst am Anfang seiner Existenz. Und das ist jetzt die gute Nachricht: Wir müssen nicht befürchten, dass das Universum zu Ende geht, während es uns Menschen noch gibt.D