1
Sehen wir uns ins Gesicht. Wir sind Hyperboräer, – wir wissen gut genug, wie abseits wir leben. »Weder zu Lande noch zu Wasser wirst du den Weg zu den Hyperboräern finden«: das hat schon Pindar von uns gewußt. Jenseits des Nordens, des Eises, des Todes –unser Leben,unser Glück … Wir haben das Glück entdeckt, wir wissen den Weg, wir fanden den Ausgang aus ganzen Jahrtausenden des Labyrinths. Wer fand ihnsonst? – Der moderne Mensch etwa? – »Ich weiß nicht aus noch ein; ich bin alles, was nicht aus noch ein weiß« – seufzt der moderne Mensch … Andieser Modernität waren wir krank, – am faulen Frieden, am feigen Kompromiß, an der ganzen tugendhaften Unsauberkeit des modernen Ja und Nein. Diese Toleranz undlargeur des Herzens, die alles »verzeiht«, weil sie alles »begreift«, ist Scirocco für uns. Lieber im Eise leben, als unter modernen Tugenden und andren Südwinden! … Wir waren tapfer genug, wir schonten weder uns noch andere: aber wir wußten lange nicht,wohin mit unsrer Tapferkeit. Wir wurden düster, man hieß uns Fatalisten.Unser Fatum – das war die Fülle, die Spannung, die Stauung der Kräfte. Wir dürsteten nach Blitz und Taten, wir blieben am fernsten vom Glück der Schwächlinge, von der »Ergebung« … Ein Gewitter war in unsrer Luft, die Natur, die wir sind, verfinsterte sich –denn wir hatten keinen Weg. Formel unsres Glücks: ein Ja, ein Nein, eine gerade Linie, einZiel …
2
Was ist gut? – Alles, was das Gefühl der Macht, den Willen zur Macht, die Macht selbst im Menschen erhöht.
Was ist schlecht? – Alles, was aus der Schwäche stammt.
Was ist Glück? – Das Gefühl davon, daß die Machtwächst, – daß ein Widerstand überwunden wird.
Nicht Zufriedenheit, sondern mehr Macht;nicht Friede überhaupt, sondern Krieg;nicht Tugend, sondern Tüchtigkeit (Tugend im Renaissance-Stile,virtù, moralinfreie Tugend).
Die Schwachen und Mißratnen sollen zugrunde gehn: erster Satzunsrer Menschenliebe. Und man soll ihnen noch dazu helfen.
Was ist schädlicher als irgendein Laster? – Das Mitleiden der Tat mit allen Mißratnen und Schwachen: – das Christentum …
3
Nicht was die Menschheit ablösen soll in der Reihenfolge der Wesen, ist das Problem, das ich hiermit stelle (– der Mensch ist einEnde –): sondern welchen Typus Mensch manzüchten soll,wollen soll, als den höherwertigeren, lebenswürdigeren, zukunftsgewisseren.
Dieser höherwertigere Typus ist oft genug schon dagewesen: aber als ein Glücksfall, als eine Ausnahme, niemals alsgewollt. Vielmehr ist er gerade am besten gefürchtet worden, er war bisher beinahedas Furchtbare; – und aus der Furcht heraus wurde der umgekehrte Typus gewollt, gezüchtet,erreicht: das Haustier, das Herdentier, das kranke Tier Mensch, – der Christ …
4
Die Menschheit stelltnicht eine Entwicklung zum Besseren oder Stärkeren oder Höheren dar, in der Weise, wie dies heute geglaubt wird. Der »Fortschritt« ist bloß eine moderne Idee, das heißt eine fals