: Stefan Frank
: Dr. Stefan Frank 2353 Sie war ein bezauberndes Mädchen
: Verlagsgruppe Lübbe GmbH& Co. KG
: 9783732532575
: 1
: CHF 1.60
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: Erzählende Literatur
: German
: 64
: Wasserzeichen
: PC/MAC/eReader/Tablet
: ePUB

Die weltberühmte Tänzerin Silvana Cornelius ist vor wenigen Tagen nach schwerer Krankheit gestorben. Schon einige Wochen zuvor hat ihre vierjährige Tochter Linnea plötzlich völlig überraschend verkündet, dass sie nie wieder tanzen will.

Linneas Vater ist ratlos. Weshalb gibt das Mädchen sein allerliebstes Hobby auf? Linnea hat nicht nur immer mit viel Liebe und Begeisterung getanzt - sie verfügt auch über eine ganz außergewöhnliche Begabung. Was den Tod der Mutter betrifft, wirkt sie ungewöhnlich gefasst. Aber das ist vielleicht auch kein Wunder, denn Silvana Cornelius war sehr ehrgeizig und durch ihren Beruf viel unterwegs. Für ihr Kind und ihren Mann nahm sie sich nur selten Zeit, die Beziehung zu beiden war nicht besonders herzlich.

Da er das Gefühl hat, nicht an seine Tochter heranzukommen, wendet sich der besorgte Vater an seinen Hausarzt Dr. Stefan Frank. Vielleicht kann der einmal mit ihr sprechen?

Doch plötzlich bekommt Linnea lebensbedrohlich hohes Fieber. Sie ist nicht mehr ansprechbar, fantasiert und muss in die Waldner-Klinik eingeliefert werden. Während die Ärzte verzweifelt darum kämpfen, das Fieber zu senken, erfährt Dr. Frank von einem furchtbaren Geheimnis, das Linnea mit sich herumträgt. Auf einmal ist dem Grünwalder Arzt klar, weshalb sich das Mädchen in den letzten Wochen so seltsam verhalten hat und weshalb es nie wieder tanzen will ...

„Bereit, Mäuschen?“, fragte Sebastian Cornelius seine Tochter Linnea.

Die Kleine nickte mit ernstem Gesicht. Sie trug ein weißes Kleid, das sie selbst ausgesucht hatte. Ihre Mutter war fünf Tage zuvor gestorben, jetzt sollte sie beerdigt werden.

Silvana Cornelius war ein strahlender Stern auf den großen Tanzbühnen der Welt gewesen, bis eine Krebsdiagnose allen Zukunftsplänen ein jähes Ende bereitet hatte. Es war ihr Wunsch gewesen, auf ihrer Beerdigung möge niemand Schwarz tragen.

Daran hatte sich auch Sebastian gehalten. Es war ein warmer Sommertag, also hatte er sich für einen leichten Leinenanzug in Blau entschieden.

„Dann komm“, sagte er und streckte die Hand aus.

Linnea, noch nicht ganz fünf Jahre alt, ergriff sie, und so verließen sie das Haus. Draußen klickten die Blitzlichter; in diesen Tagen waren die Fotografen und Reporter überall. Silvana, der große Star, hinterließ einen Mann und eine süße kleine Tochter. Das waren die Geschichten, die die Journalisten der Regenbogenpresse brauchten. Sie würden noch wochenlang etwas zu berichten haben.

Linnea und Sebastian stiegen in die wartende Limousine, die sie innerhalb weniger Minuten zum Friedhof brachte. Auch dort wurden sie bereits erwartet, nicht nur von Medienleuten, sondern auch von einer unübersehbaren Trauergemeinde. Die meisten, dachte Sebastian, haben Silvana wahrscheinlich nicht gekannt und auch nie tanzen sehen. Schaulustige vermutlich.

Er sah auf Linneas gesenkten Kopf hinunter. Die Kleine sah eher ihm ähnlich als ihrer Mutter. Sie hatte seine lockigen dunkelblonden Haare ebenso geerbt wie seine blauen Augen und die Gesichtsform.

Silvana dagegen war schwarzhaarig gewesen, mit schmalen, fast asketischen Zügen. Eine wilde, unbezähmbare Gewalt auf jeder Bühne. Er hatte sie nur ein einziges Mal tanzen sehen müssen, um sein Herz an sie zu verlieren.

Im siebten Himmel war er gewesen, als sie auf seine Werbung eingegangen war, bis er gemerkt hatte, dass sie für nichts brannte außer für ihren Beruf. Dass sie eigentlich weder einen Mann noch ein Kind brauchte, um glücklich zu sein. Oder besser: um leben zu können. Sie musste nur tanzen.

Er hatte sich oft gefragt, ob sie überhaupt wusste, was Glück war – Glück außerhalb der Bühne.

Linnea weinte nicht. Er hatte sie seit dem Tod ihrer Mutter nur einmal Tränen vergießen sehen. Da war Silvana gerade gestorben und lag in ihrem Bett, als schliefe sie. Aber der Tod hatte sein Veränderungswerk bereits begonnen, er wusste nicht, ob Linnea das hatte sehen können. Sie hatte bitterlich geweint und sich kaum beruhigen können. Aber eben nur das eine Mal.

Er legte ihr einen Arm um die Schultern und zog sie kurz an sich.

„Lass uns aussteigen“, sagte er.

Sie sah zu ihm auf, das kleine Gesicht so ernst wie zuvor, die Augen traurig. Wieder nickte sie.

Er stieg aus, sie rutschte hinter ihm her, ergriff seine ausgestreckte Hand und ging an seiner Seite auf die Kirche zu, in der der Trauergottesdienst gehalten werden sollte. Die Leute wichen vor ihnen zurück, ab und zu flammte ein Blitzlicht auf, aber niemand sprach sie an oder forderte sie auf, in seine Richtung zu blicken.

Wenigstens das bleibt uns heute erspart, dachte Sebastian.

Seine Eltern und seine Schwester Sandra warteten am Eingang, Silvanas Eltern und ihre Brüder ebenfalls. Sie umarmten einander stumm, dann betraten sie die Kirche. Als Sebastian den über und über mit weißen