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Wenn Don Harwood ein seltsames Klappern unter der Motorhaube von Davids Wagen vernahm, brachte sein Sohn es in die Werkstatt. Vor Jahren, als David noch ein Kind war, hatte Don ein Geräusch von der Zimmerdecke gehört, das sonst niemandem aufgefallen war. Prompt hatte sich herausgestellt, dass sich auf dem Dachboden Waschbären eingenistet hatten. Jedes Mal, wenn David Harwood etwas nicht beachtet hatte, was sein Vater hörte, hatte er es später bereut.
Deshalb verließ David die Küche und trat vor die Haustür, als Don sagte, er höre dauernd Sirenen.
Tatsächlich war in der Ferne Sirenengeheul zu hören. Es waren mindestens zwei, vielleicht drei. Vielleicht sogar mehr als drei.
David blickte nach oben, ob Rauch zu sehen war. Doch er wohnte in einem älteren Teil der Stadt, und hier waren die Bäume bereits so hoch gewachsen, dass er nicht sehr weit sehen konnte. Aber irgendetwas war los. David arbeitete zwar nicht mehr bei der Zeitung, seinen Reporterinstinkt hatte er jedoch noch nicht verloren. Er musste wissen, was los war.
Er eilte ins Haus zurück und holte seine Autoschlüssel. Seine Mutter sah ihn und fragte: »Wo willst du hin?«
»Raus«, sagte er.
Bevor er in seinen Mazda stieg, blieb er stehen und lauschte, um festzustellen, wo genau das Sirenengeheul herkam. Eine hörte sich an, als käme sie aus dem Osten, aber eine zweite klang, als käme sie aus dem Westen.
Irgendwie passte das nicht ins Bild. Wenn es ein schweres Unglück gegeben hatte, würden dann nicht alle Sirenen aus einer Richtung heulen? Hatte es vielleicht in mehreren Teilen der Stadt gleichzeitig einen Unfall gegeben? Andererseits konnten natürlich Rettungswagen aus verschiedenen Richtungen zur selben Unglücksstelle fahren.
War ja auch egal. Wenn es sich tatsächlich um die Sirenen von Rettungswagen handelte, dann hatten sie ein gemeinsames Ziel: das Promise Falls General.
Und dort würde er hinfahren.
Ein kurzer Blick nach links und rechts, dann fuhr er rückwärts aus der Einfahrt. Der Mazda stand schon mit den Hinterreifen auf der Straße, als David eine Hupe plärren hörte. Aus heiterem Himmel tauchte ein blauer Lieferwagen auf und schlingerte mit quietschenden Reifen die Straße entlang. Nach Davids Schätzung raste er mit weit über hundert Stundenkilometern durch ein Wohngebiet, in dem nur fünfzig erlaubt waren.
Der Lieferwagen fuhr in dieselbe Richtung, die auch David einschlug. An der nächsten Kreuzung bog er so schnell links ab, dass beinahe nur mehr zwei Räder die Straße berührten.
Auch David gab Gas. Er ließ sein Viertel hinter sich, bis zum Krankenhaus waren es vielleicht noch drei Kilometer. Da sah er den Rauch. Als er um die nächste Ecke bog, sah er drei Feuerwehrwagen mit blinkenden Lichtern an einer brennenden Tankstelle stehen. Quer über der Insel mit den Zapfsäulen entdeckte er die ausgebrannten Überreste eines Pkw.
David hatte den Eindruck, der Wagen sei frontal in eine der Säulen gerast. War das der Grund für den ganzen Wirbel? Eine Explosion an einer Tankstelle?
Er hörte eine Sirene, die sich von hinten näherte. Ein Blick in den Rückspiegel sagte ihm, dass es sich um einen Rettungswagen handelte. Wahrscheinlich würde er in sicherer Entfernung von der Tankstelle stehen bleiben. David hielt mit quietschenden Reifen am Straßenrand.
Doch die Ambulanz fuhr weiter.
David nahm die Verfolgung auf.
Als der Krankenhauskomplex in Sichtweite kam, sah David, dass sich vor dem Eingang der Notaufnahme mindestens ein Dutzend Rettungswagen drängten. Das wilde Geflacker der Rundumleuchten war durchaus dazu angetan, bei fotosensiblen Epileptikern einen Anfall auszulösen. David stellte den Mazda im Halteverbot einer an das Krankenhausgelände grenzenden Straße ab und rannte los