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Fünf Wochen vorher
Jenny rieb sich die Augen und erhob sich von ihrer Tischgesellschaft im Vanguard Club in Hollywood. Insgeheim hoffte sie, dass sie nicht so müde aussah, wie sie sich fühlte.
»Wo gehst du hin?«, fragte D-King und nippte an seinem Champagner.
Bobby Preston war der bekannteste Dealer im Nordwesten von Los Angeles, doch keiner nannte ihn je bei seinem richtigen Namen. Alle kannten ihn nur als D-King. Das »D« stand für »Dealer«, denn er dealte praktisch mit allem: Drogen, Frauen, Autos, Waffen. Er beschaffte, was immer gewünscht wurde, Hauptsache, der Preis stimmte.
Jenny war sein mit Abstand hübschestes Mädchen. Ihr Körper war makellos geformt und gebräunt, ihre Gesichtszüge waren vollkommen, und ihrem bezaubernden Lächeln konnte kein Mann auf Erden widerstehen, da war sich D-King sicher.
»Ich geh nur mein Make-up auffrischen. Bin gleich zurück, Babe.« Sie warf ihm eine Kusshand zu und verließ mit dem Champagner-Glas in der Hand die exklusive V.I.P.-Lounge.
Jenny hatte für heute genug vom Alkohol, nicht weil sie sich betrunken fühlte, sondern weil dies ihre fünfte Party-Nacht in Folge war. So hatte sie sich ihr Leben eigentlich nicht vorgestellt – dass sie ihr Dasein als Prostituierte fristete. D-King versicherte ihr zwar dauernd, sie wäre keine, und nannte sie Luxusbegleiterin für Gentlemen mit extrem gutem Geschmack und extrem viel Geld, doch am Ende lieferte sie eben doch Sex gegen Bezahlung. Damit war sie in ihren eigenen Augen eine Hure.
Die meisten ihrer Kunden waren perverse alte Millionäre, die bei ihr nach etwas suchten, was sie zu Hause nicht bekamen. Daher war der Sex nie die ganz gewöhnliche Nummer in Missionarsstellung. Alle wollten sie was Besonderes für ihr Geld. Fesseln, Sadomaso, Auspeitschen, Wassersport, Strap-on-Sex – die Liste war endlos. Und was sie auch wollten, Jenny musste es liefern. Doch heute Nacht arbeitete sie nicht. Heute wurde sie nicht nach Stunden bezahlt, und sie war auch nicht mit einem ihrer kaputten Kunden unterwegs. Heute Nacht war sie mit dem Boss aus, und das hieß Party, so lange, bis er sagte, dass Schluss war.
Jenny war schon oft im Vanguard gewesen. Es war einer von D-Kings Lieblingsclubs, und natürlich war es ein phantastisches, hinreißend luxuriöses Spektakel – angefangen bei der riesigen Tanzfläche bis hin zu der Lasershow und der großen Bühne. Im Vanguard fanden bis zu zweitausend Leute Platz, und an diesem Abend war der Laden knallvoll.
Jenny bahnte sich einen Weg zu der Bar, die in Richtung der Damentoiletten lag. Zwei Barkeeper arbeiteten dahinter auf Hochtouren. Der ganze Club wimmelte nur so von schönen Menschen, die meisten in den Zwanzigern und frühen Dreißigern. Jenny merkte nicht, dass ihr ein Augenpaar folgte, während sie den V.I.P.-Bereich verließ und zur Bar ging. Ein Augenpaar, das schon den ganzen Abend an ihr gehangen hatte. Genaugenommen folgte es ihr schon seit vier Wochen, von Nachtclub zu Nachtclub und von Hotel zu Hotel. Beobachtete sie, während sie ihre Kunden unterhielt und jedem einzelnen das Gefühl gab, dass sie sich prächtig amüsierte.
»Hi, Jen, alles okay? Du siehst etwas müde aus«, bemerkte Pietro, der langhaarige Barkeeper, als Jenny an die Bar trat. Er sprach noch immer mit einem leichten spanischen Akzent.
»Alles okay, Honey. Nur ein bisschen zu viel Party in letzter Zeit«, erwiderte sie mit wenig Begeisterung, nachdem sie in einem der Spiegel hinter der Bar einen Blick auf sich erhascht hatte. Ihre hypnotischen blauen Augen schienen heute Abend etwas von ihrem Glanz verloren zu haben.
»Keine Pause im Paradies, was?«, merkte Pietro mit einem schüchternen Lächeln an.
»Heute Nacht nicht«, erwiderte Jenny ebenfalls lächelnd.
»Irgendwas zu trinken für dich?«
»Nein, danke, ich kämpfe noch mit dem hier«, sagte sie, hob ihr Champagnerglas und zwinkerte ihm kokett zu. »Ich muss nur einfach mal ein Weilchen von meinem Tisch weg.«
Pietro und Jenny flirteten zwar hin und wieder miteinander, doch Pietro hatte nie irgendwas bei ihr versucht. Er wusste, dass sie D-King gehörte.
»Na dann, wenn du doch was willst, ruf mich einfach.« Pietro wandte sich wieder seinen Cocktails zu und jonglierte weiter mit seinen Flaschen. Eine dunkelhaarige Frau, die an der gegenüberliegenden Seite der Bar stand, warf Jenny einen finsteren Blick zu, der ungefähr zu sagen schien: »Schwirr ab, Schlampe, i