: Barbara Frischmuth
: Vergiss Ägypten Ein Reiseroman
: Aufbau Verlag
: 9783841211972
: 1
: CHF 6.70
:
: Gegenwartsliteratur (ab 1945)
: German
: 220
: Wasserzeichen
: PC/MAC/eReader/Tablet
: ePUB

Zwischen Orient und Okzident. Je öfter Valerie Ägypten besucht und je mehr sie über Zeiten und mystische Traditionen erfährt, umso verwirrender scheint es. 'Vergiss Ägypten, wenn du etwas über Ägypten schreiben willst', rät man ihr. So lässt sie sich vor allem von der Vielfalt orientalischer Lebensentwürfe faszinieren. Ein poetischer Reiseroman über eine Frau, die im Orient sich selbst entdeckt.



Barbara Frischmuth, 1941 in Altaussee (Steiermark) geboren, studierte Türkisch, Ungarisch und Orientalistik und war seitdem freie Schriftstellerin. Sie starb am 30. März 2025.

Nach ihrem von der Kritik hochgelobten Debüt »Die Klosterschule« und dem Roman »Das Verschwinden des Schattens in der Sonne« wurde sie vor allem mit der zauberhaften und verspielten Sternwieser-Trilogie bekannt, der die Demeter-Trilogie folgte. Neben weiteren Romanen wie »Die Schrift des Freundes«, »Der Sommer, in dem Anna verschwunden war«, »Vergiss Ägypten«, »Woher wir kommen« und »Verschüttete Milch« veröffentlichte sie u. a. Erzählungen und Essays. »Der unwiderstehliche Garten« war das vierte ihrer literarischen Gartenbücher.

Meinen Fragenkatalog kennen Sie ja schon, sagte Winifred L.: Woher und warum sind Sie gekommen? An welcher Universität haben Sie etwas vor oder bereits hinter sich gebracht? Werden Sie über dieses Land etwas schreiben?

Wann immer ich in Kairo beruflich zu tun hatte, machte Winifred L. ein Radio-Interview für einen kleinen englischsprachigen Kairoer Sender mit mir. Zum ersten Mal 1981. Wir hatten einander also im Abstand von Jahren älter werden sehen. Jedes Mal war ich wieder überrascht, wir gut sie sich hielt und wie lebhaft und unermüdlich sie noch immer ihrem Beruf nachging. Im Gegensatz zu mir, die ich an diesem Spätnachmittag auf der Terrasse desFlorestan wer weiß was dafür gegeben hätte, mich einfach aufs Bett legen zu können, um die versäumte Siesta nachzuholen.

Meine Antworten fielen daher kürzer aus als die letzten Male, so dass ich, nachdem sie zwar ihr Aufnahmegerät abgestellt, aber keinerlei Anstalten zu gehen gemacht hatte, den Spieß umdrehte und sie auszufragen begann. Sie war von Natur aus gesprächig, nahm sich jedoch bei Interviews professionell zurück, umso bereitwilliger spielte sie nun selbst die Rolle der Befragten.

Ich trank noch eine Tasse Tee, in der Hoffnung, dadurch etwas aufnahmefähiger zu werden und mir nicht immer das Gähnen verbeißen zu müssen. Dennoch glitt ich manchmal in jenen halbbewussten Zustand ab, bei dem man nicht mehr Herr über seine Gedanken ist, die sich auf eine träumerische Art verselbständigen. Und erst jetzt, da ich mich an Winifreds Abbas-Geschichte genauer zu erinnern versuche, wird mir klar, wie wenig ich mich auf diese Erinnerung verlassen kann. Beziehungsweise, wie sehr ich es in meiner Müdigkeit verabsäumt hatte, einzuhaken und nachzufragen, vor allem an den Stellen, die mir heute unglaubwürdig erscheinen.

Winifred L. war Engländerin und hatte seinerzeit in London Kunstgeschichte mit Schwerpunkt Islamische Kunst studiert.

Sie war rasch in Fahrt gekommen, und ich wollte sie nicht unterbrechen, dabei hätte ich sie sogleich fragen müssen, warum sie sich ausgerechnet für islamische Kunst interessiert hatte.

Ziemlich bald erhielt sie ein Stipendium für die amerikanische Universität in Kairo, wo sie ihren späteren Mann kennenlernte, einen Alexandrineralter Schule, wie sie betonte, der dann in den Golfstaaten das Fernsehen aufbaute. Diesen Ausdruckalte Schule bekam ich öfter zu hören, wenn Europäerinnen unseres Alters ihre ägyptischen Männer zu charakterisieren versuchten, und es bedeutete immer, dass diese wohlgeraten, wohlerzogen und wohlhabend waren.

Ich weiß nicht mehr, warum Winifred L. von Nasser zu erzählen, besser gesagt, zu schwärmen begann. Wahrscheinlich war ich für ein paar Sekunden von der Müdigkeit vollkommen übermannt worden und erst beim Stichwort Nasser wieder erwacht. Nasser muss