: Barbara Frischmuth
: Die Mystifikationen der Sophie Silber Roman
: Aufbau Verlag
: 9783841211910
: 1
: CHF 8.20
:
: Gegenwartsliteratur (ab 1945)
: German
: 318
: Wasserzeichen
: PC/MAC/eReader/Tablet
: ePUB

Die märchenhafte Welt der Feen und Waldgeister ist in diesem phantastischen Roman auf wunderbare Weise mit der Geschichte der jungen Schauspielerin Sophie Silber verwoben. Sophie wird als einziger menschlicher Gast zu einem merkwürdigen Kongress in ein entlegenes Hotel in der Steiermark eingeladen, wo Elfen, Feen, Wassermann und Berggeist über sie den Dialog zu den Menschen suchen. Aber Sophie begegnet nicht nur ihnen und der Fee Amaryllis Sternwieser, sondern auch ihrer eigenen Vergangenheit. 

»Seh vielschichtig, humorvoll und zauberhaft verspielt, zugleich aber auch voll Dramatik und voll wunderbarer Intensität.« Die Presse.



Barbara Frischmuth, 1941 in Altaussee (Steiermark) geboren, studierte Türkisch, Ungarisch und Orientalistik und war seitdem freie Schriftstellerin. Sie starb am 30. März 2025.

Nach ihrem von der Kritik hochgelobten Debüt »Die Klosterschule« und dem Roman »Das Verschwinden des Schattens in der Sonne« wurde sie vor allem mit der zauberhaften und verspielten Sternwieser-Trilogie bekannt, der die Demeter-Trilogie folgte. Neben weiteren Romanen wie »Die Schrift des Freundes«, »Der Sommer, in dem Anna verschwunden war«, »Vergiss Ägypten«, »Woher wir kommen« und »Verschüttete Milch« veröffentlichte sie u. a. Erzählungen und Essays. »Der unwiderstehliche Garten« war das vierte ihrer literarischen Gartenbücher.

Etwa zur selben Zeit wie die Fee Rosabelverde war auch Amaryllis Sternwieser jenes Landes verwiesen worden, in dem die Feen mehrere Jahrhunderte lang auf sehr angenehme Weise ihre Tage verbracht hatten. Europamüde, wie sie damals gewesen war, hatte sie zuerst den Nahen Osten besucht, dann den Fernen und hatte schließlich ein Menschenalter im Hain der beträchtlichen Stille bei ihrer Freundin, der Fee der beginnenden Kühle, gelebt. Aber auch in China hatte es sie nicht länger gehalten, und zuletzt hatte sie die Zeit immer weiter vorangetrieben, indem sie mehrmals sieben Jahre zu einem Tag werden ließ. Frisch gestärkt und erlebnishungrig, hatte sie eine Wolke bestiegen und sich auf derselben notdürftig eingerichtet. Doch alles, was sie sah, schien ihr bald zu weit weg. Sie konnte die Details so schlecht ausnehmen, und dem Enterischen verbunden, wie sie nun einmal war, ließ sie sich nach längerem Hin- und Hertreiben und öfterem Wolkenwechsel in einer ihr zusagenden Alpengegend sanft herniederregnen.

Der erste Eindruck überwältigte sie so sehr, daß sie sich augenblicklich in die landesübliche Tracht hineinwünschte, und als sie sich dann in einem jener überaus klaren Gebirgsseen des steirischen Salzkammerguts zum erstenmal in der neuen Aufmachung erblickte, war sie sehr zufrieden. Besonders gefiel ihr der große naturfarbene Strohhut mit dem Bortenband, und sie beschloß, nicht mehr ohne einen solchen in Erscheinung zu treten.

Bald darauf schloß sie sich einer jener wandernden Gruppen an, bestehend aus fußtüchtigen Adeligen in verfeinerter älpischer Kleidung und müßigen, sie begleitenden Einheimischen beiderlei Geschlechts. Sie tat das auf so diskrete Weise, daß man allseits der Meinung war, sie wäre bereits von Anbeginn der entsprechenden Gebirgswanderung dabeigewesen. Einen Sommer lang wanderte sie also bergauf und bergab über Grate und Almen, bestaunte Wasserfälle und lobte das einfache Leben, die frische Milch und das würzige Brot, an dem es dank ihrer Hilfe auch nie mangelte, und gegen Herbst, als die Amt und Würden tragenden Herren wieder an den Hof und in die Hauptstadt zurückmußten und die Bürgerstöchter und Almerinnen Tränen beim Abschied vergossen, mußte sie sich eingestehen, daß sie sich schon lange nicht mehr so gut unterhalten hatte, und sie beschloß, sich in dem Tal, das sie das schönste dünkte, niederzulassen, dortselbst einen geruhsamen Winter zu verbringen und sich im darauffolgenden Sommer wiederum derselben oder einer ähnlichen Gruppe anzuschließen.

Amaryllis Sternwieser zog also in ein Holzhäuschen am Rande einer sauren Wiese, die im Frühjahr Narzissen tragen würde. Das Häuschen unterschied sich in seiner einfachen, aber behaglichen Bauweise in nichts von denen der übrigen Bewohner des Tals, und so nahm es auch niemanden wunder, daß es plötzlich da stand. Wie gesagt, Amaryllis Sternwieser vollführte alles auf so diskrete Weise, daß sie sich ohne Aufhebens in das Bewußtsein der Enterischen stehlen konnte. Kurz darauf hatte sie auch ihren ersten Dackel namens Max Ferdinand, und da sie sozusagen in der Einschicht wohnte, hatte sie auch ihre Ruhe vor den Enterischen. Nicht hinge