: Fernando Pessoa
: Mein Lissabon Was der Reisende sehen sollte
: S. Fischer Verlag GmbH
: 9783104902982
: 1
: CHF 10.00
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: Europa
: German
: 96
: Wasserzeichen
: PC/MAC/eReader/Tablet
: ePUB
M t Fernando Pessoa auf der Reise durch Lissabon Wenn es einen Dichter dieser Stadt Lissabon gibt, dann ist es zweifellos Fernando Pessoa. In zahllosen Gedichten, Notaten und Reflexionen besingt und bewahrt dieser große europäische Dichter die Sehnsucht und die Geheimnisse der unvergleichlichen Stadt am Tejo, die wie kein anderer irdischer Ort seine Heimat war. In Pessoas Texten schwingt jener melancholische Hauch einer wehmütigen Erinnerung an die großen Zeiten mit, in denen von Lissabon aus die Weltmeere befahren wurden und Nachrichten von fernen und unbekannten Welten hinter den Meeren eintrafen. Mit seinen Texten entdecken wir die verborgensten Winkel der Stadt und erleben das Gefühl mit, das so manchen Besucher in seinen Bann geschlagen hat: die Saudade.

Fernando Pessoa (1888-1935), der bedeutendste moderne Dichter Portugals, ist auch bei uns mit dem »Buch der Unruhe« bekannt geworden. Einen Großteil seiner Jugend vebrachte er in Durban, Südafrika, bevor er 1905 nach Lissabon zurückkehrte, wo er als Handelskorrespondent arbeitete und sich nebenher dem Schreiben widmete. 1912 begann seine Tätigkeit als Literaturkritiker und Essayist. Er schuf nicht nur Gedichte und poetische Prosatexte verschiedenster, ja widersprüchlichster Art, sondern Verkörperungen der Gegenstände seines Denkens und Dichtens: seine Heteronyme, darunter Alberto Caeiro, Ricardo Reis, Álvaro de Campos - und er schrieb eben auch als Pessoa, das im Portugiesischen so viel wie »Person, jemand« bedeutet.

Über sieben Hügeln, denen genauso viele Aussichtspunkte entsprechen und von denen man das wunderbarste Panorama genießen kann, liegt die riesige, unregelmäßig bunte Häusermasse zerstreut, die Lissabon bildet.

Für den Reisenden, der sich auf dem Seeweg nähert, erhebt sich Lissabon, selbst von weither, wie ein schönes Traumgesicht, gestochen scharf steht es vor einem strahlend blauen Himmel, den die Sonne mit ihrem Gold erheitert. Kuppeln, Denkmäler, das alte Kastell ragen über die Menge der Häuser hinaus wie weit vorgerückte Boten dieses entzückenden Fleckens, dieses gesegneten Landstrichs.

Die Verwunderung des Reisenden beginnt, wenn sich das Schiff der Barre nähert und derBugio – der Leuchtturm, ein kleiner Wachtturm an der Mündung des Flusses, der nach Plänen von Frei João Turriano vor drei Jahrhunderten errichtet wurde – hinter ihm liegt und der befestigteTorre de Belém erscheint, ein wunderbares Beispiel für die Militärarchitektur des16. Jahrhunderts in maurisch-romanisch-gotischem Stil (vgl. Seite 69). Wie das Schiff weitergleitet, verengt sich der Fluss, um bald wieder breiter zu werden und einen der ausgedehntesten Naturhäfen zu bilden, der den größten Flotten der Welt geräumigsten Ankergrund bietet. Dann scharen sich zur linken Seite über den Hügeln hell die Häuser. Das istLissabon.

Das Anlegen geht einfach und schnell: Es geht an einem Ort vonstatten, wo Transportmöglichkeiten in Hülle und Fülle vorhanden sind: Pferdedroschke, Automobil oder die elektrische Straßenbahn bringen den Fremden in wenigen Minuten direkt ins Zentrum der Stadt. Am Kai wird er jede Annehmlichkeit finden, und die Beamten dort sind stets freundlich und werden ihn mit jedem Hinweis versorgen, dessen er bedarf – ganz gleich, ob er sich an einen Zollbeamten, an die Hafenbeamten oder die Einwanderungspolizei wendet.

Draußen vor derAlfândega (den Zollgebäuden) steht ein kleiner Kontrollposten, was sehr nützlich ist, da er die Zustellung des Gepäcks überwacht und den Missbrauch verhindert, der sonst unter solchen Umständen unvermeidlich ist. Von dem Posten aus wird das Gepäck in jeden Teil der Stadt expediert, die Verantwortung für die Zustellung liegt bei dem Posten. Die Beamten sind äußerst kompetent und beherrschen mehrere Sprachen.

Wir bitten den Reisenden nun, uns zu folgen. Wir wollen ihm als Cicerone dienen und ihn durch die Hauptstadt führen, ihn auf die Denkmäler hinweisen, auf die Parks, die denkwürdigeren Gebäude, die Museen, auf all das, was in dem wunderbaren Lissabon zu sehen lohnt. Nachdem der Reisende, der für einige Zeit bleibt, sein Gepäck einem vertrauenswürdigen Dienstmann übergeben hat, welcher es im Hotel abliefert, bitten wir ihn, es sich in unserem Automobil bequem zu machen und uns ins Stadtzentrum zu begleiten. Auf der Fahrt werden wir ihn auf alles Sehenswerte hinweisen.

Direkt hinter dem Kai, den er gerade verlässt, erhebt sich dieRocha do Conde de Óbidos; sie krönt ein wohlgepflegter Garten, der über zwei steinerne Freitreppen zu erreichen ist; vom höchsten Punkt des Parks hat man eine schöne Aussicht auf den Fluss. Folgen wir derRua 24 de Julho, kommen wir am Jardim de Santos (auch Jardim Vasco da Gama) vorüber und bald darauf amJardim daPraça de Dom Luís, wo die Bronzestatue eines der heroischen Anführer der Befreiungskämpfe steht, des Marquês de Sá da Bandeira; das Denkmal wurde von Giovanni Ciniselli entworfen und in Rom gegossen und der Sockel in Lissabon von Germano José de Salles erstellt und1881 errichtet.

Ein wenig später, gleich nachdem wir das schöne Gebäude passiert haben, in dem die von Königin Amélia gegründete Assistência Nacional aos Tuberculosos (Nationale Hilfsste