: Voltaire
: Guro Verlag
: Der Harmlose Eine wahre, den hinterlassenen Papieren des Pater Quesnel entnommene Geschichte
: Books on Demand
: 9783842334991
: 1
: CHF 3.20
:
: Erzählende Literatur
: German
: 90
: DRM
: PC/MAC/eReader/Tablet
: ePUB
Voltaire (eigentlich François-Marie Arouet, 1694 -1778) war ein französischer Philosoph und Schriftsteller. Er ist einer der meistgelesenen und einflussreichsten Autoren der französischen und europäischen Aufklärung. In Frankreich nennt man das 18. Jahrhundert auch 'das Jahrhundert Voltaires' (le siècle de Voltaire). Viele seiner Werke erlebten in rascher Folge mehrere Auflagen und wurden häufig auch umgehend in andere europäische Sprachen übersetzt. Voltaire verfügte über hervorragende Kenntnisse der englischen und der italienischen Sprache und veröffentlichte darin auch einige Texte. Er verbrachte einen beträchtlichen Teil seines Lebens ausserhalb Frankreichs und kannte die Niederlande, England, Deutschland und die Schweiz aus eigener Erfahrung. Mit seiner Kritik an den Missständen des Absolutismus und der Feudalherrschaft sowie am weltanschaulichen Monopol der katholischen Kirche war Voltaire ein Vordenker der Aufklärung und ein wichtiger Wegbereiter der Französischen Revolution. In der Darstellung und Verteidigung dessen, was er für richtig hielt, zeigte er ein umfangreiches Wissen und Einfühlungsvermögen in die Vorstellungen seiner zeitgenössischen Leser. Sein präziser und allgemein verständlicher Stil, sein oft sarkastischer Witz und seine Kunst der Ironie gelten oft als unübertroffen.

Voltaire (eigentlich François-Marie Arouet, 1694 - 1778) war ein französischer Philosoph und Schriftsteller. Er ist einer der meistgelesenen und einflussreichsten Autoren der französischen und europäischen Aufklärung. In Frankreich nennt man das 18. Jahrhundert auch 'das Jahrhundert Voltaires" (le siècle de Voltaire). Viele seiner Werke erlebten in rascher Folge mehrere Auflagen und wurden häufig auch umgehend in andere europäische Sprachen übersetzt. Voltaire verfügte über hervorragende Kenntnisse der englischen und der italienischen Sprache und veröffentlichte darin auch einige Texte. Er verbrachte einen beträchtlichen Teil seines Lebens ausserhalb Frankreichs und kannte die Niederlande, England, Deutschland und die Schweiz aus eigener Erfahrung. Mit seiner Kritik an den Missständen des Absolutismus und der Feudalherrschaft sowie am weltanschaulichen Monopol der katholischen Kirche war Voltaire ein Vordenker der Aufklärung und ein wichtiger Wegbereiter der Französischen Revolution. In der Darstellung und Verteidigung dessen, was er für richtig hielt, zeigte er ein umfangreiches Wissen und Einfühlungsvermögen in die Vorstellungen seiner zeitgenössischen Leser. Sein präziser und allgemein verständlicher Stil, sein oft sarkastischer Witz und seine Kunst der Ironie gelten oft als unübertroffen.

Der Harmlose



Erstes Kapitel: Wie der Prior Unserer lieben Frau vom Berge und sein Fräulein Schwester einem Huronen begegneten.


Eines schönen Tages fuhr der fromme Dunstan, Irländer von Geburt und Heiliger von Beruf, von Irland auf einem kleinen Berge ab, welcher nach der französischen Küste hinüberschaukelte, und gelangte auf diesem Gefährt in die Bucht von Saint-Malo. Nachdem er ans Land gestiegen, erteilte er dem Berge seinen Segen; dieser verneigte sich zu wiederholten Malen tief vor ihm und schwamm dann auf demselben Wege, den er gekommen war, nach Irland zurück.

Dunstan gründete in der Gegend ein kleines Kloster und gab ihm den Namen: die Abtei vom Berge, welchen es, wie jedermann weiß, noch heute trägt.

Am Abend des 15. Juli im Jahre 1689 lustwandelte der Abt von Kerkabon, Prior Unserer lieben Frau vom Berge, mit Fräulein von Kerkabon, seiner Schwester, am Meeresufer, um frische Luft zu schöpfen. Der dem Greisenalter nahe Prior war ein vortrefflicher Geistlicher, der von seinen Nachbarn geliebt wurde, nachdem ihm ehemals so von seinen Nachbarinnen geschehen. Vor allem hatte ihm der Umstand ein großes Ansehen verschafft, daß er der einzige Pfründner des Landes war, den man nicht ins Bett tragen mußte, wenn er mit seinen Amtsbrüdern zusammen zu Nacht gespeist hatte. Er war ein wackerer Theologe, und wenn er es müde geworden, im Heiligen Augustin zu lesen, ergötzte er sich am Rabelais: so sprach denn auch jedermann gut von ihm.

Fräulein von Kerkabon, die niemals verheiratet gewesen war, obgleich sie gar große Lust dazu verspürt hatte, besaß noch im Alter von fünfundvierzig Jahren die Frische der Jugend. Sie hatte ein freundliches, weiches Gemüt, liebte das Vergnügen und war fromm.

Während der Prior auf das Meer hinausblickte, sagte er zu seiner Schwester: »Ach, hier war's, wo sich unser armer Bruder mit Frau von Kerkabon, seinem Weibe, unserer lieben Schwägerin, im Jahre 1669 auf der Fregatte »Die Schwalbe« einschiffte, um drüben in Kanada Dienste zu tun. Wäre er nicht getötet worden, dürften wir noch hoffen, ihn wiederzusehen.«

»Glaubst du,« sagte Fräulein von Kerkabon, »daß unsere Schwägerin wirklich von den Irokesen gefressen worden ist, wie man uns mitgeteilt hat?« »Wäre sie nicht gefressen worden, so würde sie doch sicherlich in die Heimat zurückgekehrt sein. Ich werde sie bis an mein Lebensende beweinen, sie war eine reizende Frau, und unser Bruder war ein so gescheiter Mann, daß er sich gewißlich ein großes Vermögen erworben haben würde.«

Während sie nun beide diesen Erinnerungen gar betrüblich nachhingen, sahen sie ein kleines Schiff von der Flut getragen in die Rencer Bucht einlaufen. Es waren Engländer, die allerlei Erzeugnisse ihres Landes verkaufen wollten; sie sprangen ans Land, ohne den Herrn Prior und sein Fräulein Schwester anzublicken, und diese fühlte sich von solch großem Mangel an Höflichkeit ihr gegenüber äußerst verletzt.

Nicht ebenso benahm sich ein junger wohlgewachsener Mann, der mit einem Sprunge über die Köpfe seiner Gefährten hinweggesetzt war und nun dem gnädigen Fräulein gegenüberstand: er nickte ihr mit dem Kopfe zu, denn der Brauch, eine Verbeugung zu machen, war ihm nicht geläufig. Sein Antlitz und seine Kleidung zogen die Blicke des Bruders und der Schwester auf sich: er ging barhäuptig, seine Beine waren nackt, seine Füße staken in dünnen Sandalen, sein Haupt schmückten lange geflochtene Haare, ein kurzes Wams schnürte seinen zarten schlanken Rumpf, seine Miene war zugleich kriegerisch und sanft, und in der einen Hand hielt er eine kleine Flasche mit Antillenwasser, in der anderen eine Art Beutel; darinnen befanden sich ein Becher und gar treffliche Schiffszwiebacke. Er sprach völlig verständlich Französisch. Er bot der Fräulein von Kerkabon und ihrem Herrn Bruder von seinem Antillenwasser an, trank einen Schluck mit ihnen und nötigte sie dann noch einmal zum Trinken, und alles das in einer schlichten und so natürlichen Weise, daß Bruder und Schwester sich herzlich angetan fühlten. Sie boten ihm ihre Dienste an und fragten ihn, wer er sei und wohin er ginge? Der junge Mann erwiderte ihnen, er wisse es nicht, er sei nur neugierig, habe die französische Küste einmal sehen wollen, sei deshalb gekommen und würde nun wieder zurückfahren.

Da der Herr Prior an seinem Tonfall hörte, daß er kein Engländer sei, nahm er sich die Freiheit, ihn zu fragen, aus welchem Lande er herstamme. »Ich bin Hurone,« erwiderte der junge Mann.

Fräulein von Kerkabon, die erstaunt und entzückt zugleich war, einen Huronen zu sehen, der sich so artig gegen sie betragen hatte, lud den jungen Mann zum Abendessen ein; er ließ sich nicht zweimal bitten, und so begaben sich denn alle drei gemeinschaftlich nach dem Kloster Unserer lieben Frau vom Berge.

Das kurze runde Fräulein besah ihn aus all ihren kleinen Augen und sagte von Zeit zu Zeit zum Prior: »Dieser große Junge hat eine Lilien- und Rosenhaut, gar zu schön für einen Huronen!« »Du hast recht, meine Schwester«, erwiderte der Prior. Sie stellte Schlag auf Schlag wohl an die hundert Fragen, und der Reisende beantwo