Café Progrès
Auf dem Stadtplatz Marcadale, wo zumeist sich das öffentliche Leben von Lourdes abspielt, liegt zwischen den beiden großen Speisehäusern das Café Français. Es ist nicht weit entfernt von der Haltestelle der Postomnibusse, von dem wichtigsten Einfallspunkt der großen Welt in die kleine Welt des Pyrenäenstädtchens. Der Cafétier, Monsieur Duran, hat unter erheblichem Kostenaufwand das Lokal im vorigen Jahre neu eingerichtet. Roter Plüsch, Marmortische, Spiegelscheiben, ein riesiger Kachelofen, der einem zinnengekrönten römischen Wachtturm gleicht. Dank dieser Festung von einem Ofen ist das Café Français der bestgeheizte Raum von Lourdes. Herr Duran aber sorgt nicht nur für Wärme, er sorgt auch für Licht. Er hat eine neuartige Form der Beleuchtung eingeführt. Starke, grünbeschirmte, dauerhaft strahlende Petroleumlampen, die, an waageförmigen Stangen befestigt, von der Decke herabhängen und ihren weißlich heimeligen Schein über die Marmortische gießen. Der Cafétier ist überzeugt davon, dass in dem neuerungstollen Paris, das jeder modernen Erfindung atemlos nachläuft, nur sehr wenige Gaststätten mit solchem Lichte gesegnet sind. Duran ist im Gegensatz zu den meisten seiner Landsleute kein besonders sparsamer Mann. Er lässt sein Licht auch am Tage leuchten, wenn es nötig ist, wie zum Beispiel heute, da die Winterdämmerung nicht weichen will. Er geht in seiner Großmut noch weiter. Nicht beim materiellen Lichte lässt er es bewenden. Er ist bestrebt, geistiges Licht zu verbreiten. Zu diesem Zwecke hängen an den Kleiderrechen, wohleingerahmt, eine Menge der großen Pariser Zeitungen, deren Abonnementsspesen der Inhaber des Café Français nicht scheut. »Le Siècle« ist vorhanden, »L'Ère Impériale«, »Le Journal des Débats«, »La Revue des Deux Mondes«, »La Petite République«. Jawohl, auch diese »Petite République«, ein höchst revolutionäres Blatt, gegen den Kaiser und seine Regierung gerichtet, eine kampflustige Gazette, hinter der, wie jedermann weiß, Louis Blanc in Person steht, der sozialistische Gottseibeiuns. Dass »Le Lavedan«, das Wochenblatt von Lourdes, aufliegt, muss nicht eigens erwähnt werden. Die Redaktion hat mit Herrn Duran ein beiderseits günstiges Abkommen getroffen, demzufolge jeden Donnerstag vier Exemplare des frischen »Lavedan« auf den Marmortischen zu liegen haben. Im Hinblick auf all diese Bemühungen um die geistige Verpflegung seines Gästekreises ist es zu verstehen, dass Durans ehrgeiziges Café Français von manchen Leuten auch »Café Progrès« genannt wird.
Zweimal des Tages hat das Lokal ganz großen Zuspruch. Das ist um elf Uhr herum, zur Stunde des Apéritifs, und dann am Nachmittag um vier, wenn die Büros des Landgerichtes schließen. Die Beamten dieser Behörde sind treue Stammgäste des Café Français. Der französisc