: Ju Honisch
: Seelenspalter Roman
: Verlagsgruppe Droemer Knaur
: 9783426436035
: Die Geheimnisse der Klingenwelt
: 1
: CHF 10.00
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: Fantasy
: German
: 816
: Wasserzeichen
: PC/MAC/eReader/Tablet
: ePUB
Düster, intensiv, geheimnisvoll: 'Seelenspalter' ist atemberaubende Assassinen-Fantasy von der mehrfach preisgekrönten Autorin Ju Honisch Nur die Starken überleben in den Acht Reichen, die miteinander in einem endlosen Krieg um die Vorherrschaft liegen. Das begreift Maleni sehr schnell, als sie nach einem Massaker, dem ihr ganzes Dorf zum Opfer fällt, Aufnahme beim Orden der Xyi findet. Unerbittlicher Drill und ein geheimnisvolles Ritual lassen einen Teil von Maleni zur Assassinin Taryah werden, die ohne Mitleid zu empfinden oder Fragen zu stellen ihrem blutigen Handwerk nachgeht. Doch weder in den Acht Reichen noch beim Orden der Xyi sind die Dinge so einfach, wie sie scheinen. Und eines Tages muss Maleni erkennen, dass Taryah nicht nur ein Teil von ihr ist - sondern ihr größter Feind.

Ju Honisch ist in Bayern aufgewachsen und hat Anglistik und Geschichte in München studiert. Vieles, was sie schreibt, gehört in den Bereich der Phantastik oder ist nicht weit entfernt davon angesiedelt. Ihr Debütroman 'Das Obsidianherz' wurde mit dem Deutschen Phantastik-Preis ausgezeichnet, für 'Schwingen aus Stein' gewann sie 2014 den Phantastik-Preis 'Seraph'. Ju Honisch lebt in Hessen.

1


Taryah tanzte. Der Klang der Trommeln und Flöten mischte sich mit dem Geruch der parfümierten Kerzen. Er durchdrang jede Pore, suchte nach dem Gemüt der Menschen, betörte es wie süßer Nebel; drang dann noch tiefer, in den Bauch, die Eingeweide, das Zentrum der Sinneslust. Doch Duft und Musik allein waren es nicht, die ihr Publikum mit offenen Augen träumen ließen.

Es war Taryah selbst.

Jetzt verharrte sie auf dem linken Fußballen und hob ihr rechtes Bein so hoch, dass ihre Gliedmaßen eine gerade Linie gen Himmel bildeten – nur einen winzigen Augenblick lang. Und schon stand sie wieder auf beiden Füßen, wirbelte herum, ließ sich vom Rhythmus tragen, ließ sich gleiten, leiten, verleiten von den Klängen. Die Musiker teilten ihre Kunst mit ihr, ohne sie ansehen zu dürfen. Doch sie erspürten sie mit ihren Künstlersinnen und verwoben ihre Musik mit Taryahs Schönheit und exquisiter Erotik. Sie fühlte die Verbindung zwischen ihnen – die sich aneinander steigernde Wildheit, die Anmut und Grazie, Inbrunst und Musikalität einte sie und zog sie mit sich. Weiter und weiter. Und tiefer und tiefer.

Taryah schwebte beinahe, schien mit ihren Füßen kaum noch den Boden zu berühren, glitt nahezu lautlos durch den weitgehend möbellosen Raum, dessen Intarsien-verschnörkeltes Parkett ihr eine Bühne der Pracht bot. Nur das leise Klingeln ihrer goldenen Knöchel- und Armreifen mischte sich ebenso zart wie zärtlich in den Rhythmus der Musik.

Taryahs Arme und Hände formten jene Gesten der Liebe, die Einladung und Versprechen zugleich waren. Langsam glitten sie an ihrem Körper entlang, als liebkosten und umrahmten sie dessen perfektes Kunstwerk. Dann wieder streckten sie sich sehnsuchtsvoll nach ihrem Zuschauer, als wäre dieser ihr nah und doch so fern. Und ihr Zuschauer dankte es ihr, sog an ihrem Zauber, atmete Schönheit und Perfektion in einer Welt, die sonst wenig davon bot.

In seinem Blick las sie seine Gedanken – dass sie diese Schönheit nur ihm schenkte, ihm allein. Spürte, wie er es zuließ, dass dieser Gedanke ihn erfüllte, obgleich er wusste, die Schöne, die für ihn tanzte, tat es allein auf sein Geheiß hin. Er hatte sie hierher befohlen, zu sich bringen lassen. Doch nun ergötzte er sich an dem glitzernden Gedanken, sie wäre ganz freiwillig hier – weil sie ihn wollte, ihn vielleicht sogar liebte und nicht nur fürchtete. So, wie ihn alle fürchteten.

Sie sah sein versonnenes Lächeln, das Staunen in seinen Augen und die Gewissheit dahinter: Er hatte sie sich verdient.

Taryahs kastanienrote Locken flogen, jede einzelne wie fedrige Seide. Ihre Hüften kreisten, wippten, zuckten, lockten. Ihre Bewegungen boten Einblicke und verbargen schon im nächsten Moment, was man beinahe zu erhaschen gemeint hatte. Taryah war Fleisch gewordene Perfektion.

Ein Schleier fiel. Er senkte sich ganz sacht herab wie ein Nebelschwaden, und glitt dann wie zufällig vor dem Mann zu Boden. Atemlos griff er nach ihr, doch Taryah entzog sich ihm, war schon wieder davongewirbelt, während sie ihm noch ein Lächeln schenkte. Wie ein besonderes Kleinod war es, kostbar und doch wohlfeil.

Zwölf Schleier. Sieben davon lagen bereits vor ihm wie Beutestücke.

Taryah spürte sein siegessicheres Lächeln, verbuchte es als Bestätigung ihrer Kunst und erwiderte es huldvoll und vielversprechend.

Bald.

Ihre hellgrünen Augen versprachen immer viel. Ihre zarten, goldgeschmückten Knöchel, ihre langen Beine, ihre runden Hüften und ihre schmale Taille waren jedes für sich ein wortloses Versprechen. Und ihre Brüste in dem glasperlenbest