: Johannes Wilkes
: Der Fall Rückert
: ars vivendi
: 9783869137056
: 3
: CHF 7.60
:
: Krimis, Thriller, Spionage
: German
: 272
: Wasserzeichen
: PC/MAC/eReader/Tablet
: ePUB
Eine Angestellte wird eines Morgens in Erlangens alter Universitätsbibliothek erdrosselt aufgefunden, und Kommissar Mütze, der seinem Lebensgefährten Karl-Dieter aus dem rauen Dortmund ins friedliche Franken gefolgt ist, hat seinen ersten echten Fall. Was zunächst wie das tödliche Ende eines tragisch verlaufenen Dates aussieht, erfährt eine mysteriöse Wendung, als der Direktor der Bibliothek den Verlust von Originalhandschriften Friedrich Rückerts meldet. Weitere brutale Morde an fränkischen Wirkungsstätten des Dichters lassen die Spur heißer werden, doch Mütze gerät unter zunehmenden Druck aus Politik und Öffentlichkeit. Auf der Jagd nach dem Killer stoßen er und Karl- Dieter auf ein sagenhaftes Geheimnis. Echter Frankenkrimi: Schauplätze in Erlangen, Coburg, Neuses, Schweinfurt, Bamberg und der Fränkischen Schweiz.

Johannes Wilkes, Jahrgang 1961, wurde in Dortmund geboren, als der Pott noch rauchte. Später absolvierte er ein Studium der Medizin in München. Seit mehr als 25 Jahren ist er bekennender Wahlfranke und führt in Erlangen eine sozialpsychiatrische Praxis. Neben populären Sachbüchern sind von ihm auch belletristische Werke erschienen. Das Frankenland hat seit Langem einen festen Platz in seinem Repertoire. Zuletzt erschien Das kleine Franken-Buch (2014) im ars vivendi verlag.

 

Dienstag

»Olé, BVB, olé, olé …«

Mit einem Griff hatte Mütze seinen alten Nokiaknochen gepackt. Doktor Kunzelmann war am Apparat, mitten in der Nacht. Ob Mütze gleich vorbeikommen könne? Natürlich könne er kommen, sofort würde er kommen. Bis gleich!

Mütze glitt in seine Jeans, die ihm Karl-Dieter am Abend zuvor ordentlich über den Stuhl gehängt hatte. Auch Hemd und Socken lagen akkurat an ihrem Platz. Es hatte eine Zeit gegeben, da hatte sich Mütze seine Sachen noch selbst herausgesucht. Seitdem er jedoch den unverzeihlichen Fehler begangen hatte, grüne Socken zu einer blauen Jeans anzuziehen, hatte ihm Karl-Dieter die Kleidungsfragen abgenommen. Grüne Socken zu blauen Jeans, das ging ja gar nicht! Auch das Waschen und Bügeln hatte Karl-Dieter übernommen und selbstverständlich das sorgfältige Bestücken ihrer Kleiderschränke. In jeder Partnerschaft entwickelte sich eine natürliche Arbeitsteilung.

Karl-Dieter war nur kurz wach geworden, hatte sich umgedreht und war gleich wieder weggedöst. Er hatte den Schlaf eines Murmeltiers. Mütze sprang in seinen alten Opel Manta und fuhr durch die Nacht. Kosbach lag wie ausgestorben da, auch in Büchenbach war kein Eichhörnchen zu sehen. Die vierspurige Straße, die sich über den Europakanal schwang, endete kurz darauf im grünen Nirwana. Man hatte schlicht vergessen, sie ins Zentrum zu verlängern. Auf dem kurzen Stumpf, der die Möglichkeit einer Brücke über das Regnitztal andeutete, standen nur Müllcontainer und die Container eines Flüchtlingswohnheims. Mütze musste links abbiegen und einen lästigen Umweg in Kauf nehmen.

Erlangen pflegte eine eigentümliche Verkehrspolitik. Autos schien man nicht zu mögen, Radfahrer erst recht nicht, selbst für ein modernes öffentliches Nahverkehrssystem mochte man sich nicht entscheiden. Nur an kleinen Details bastelte man gerne herum. Wie aber sollten sich die Bürger fortbewegen? Man wartete wohl ab, bis das Beamen serienreif wurde. Ihr Regnitztal jedenfalls war den Erlangern heilig, da durfte sich kein Bagger sehen lassen. In Dortmund war man in diesen Dingen weniger zimperlich. Die Emscher hatte man kurzerhand unter Tage gelegt, so war sie keiner Straßenplanung mehr im Wege gewesen.

Mütze nahm die Möhrendorfer Straße durch Alterlangen, das kein bisschen alt aussah, eher wie eine dieser planlosen Siedlungen aus den Fünfziger- und Sechzigerjahren. Die außergewöhnlich hohe Apothekendichte wies darauf hin, dass hier viele Senioren wohnen mussten. Oder Kranke. Oder kranke Alte. Ob daher der Name kam? Alterlangen? Tatsächlich tauchte rechter Hand nun auch noch das bläuliche Neonschild eines Altenheims auf.Fazit, leuchtete es blau durch die Nacht. Kein schlechter Name für eine Seniorenentsorgungsanlage, dachte Mütze grinsend. Der Zeitpunkt des Anrufs hatte ihn überrascht. Schließlich war es zwei Uhr in der Früh. Kunzelmann schien die ganze Nacht durchgearbeitet zu haben, Bücherregal für Bücherregal musste er