Nachdem ich meine Studien auf der Universität in Padua beendet hatte, es war ein rechtes Sauf- und Raufleben, wie es die Studenten führen, kam ich nach Venedig zurück, wo ich auf Beitreiben meines Vormundes die vier ersten Weihen erhielt und so nun als junger Abbé in die beste Gesellschaft geführt wurde, besonders durch einen alten Senator, den Herrn von Malpiero. Dies war ein Greis, der keinen Zahn mehr im Mund hatte, weshalb er wegen seiner langsamen Essweise stets allein aß, bis ich ihm riet, sich doch eine angenehme Tischgesellschaft dadurch zu verschaffen, dass er sich solche Personen auswähle, die für zwei äßen. Da er auch sonst Gefallen an meinen Gesprächen fand und ich ihm bewies, dass ich, wie er langsam, viel aß, zog er mich täglich zu seiner Tafel. Trotz seines Alters und seiner Gicht konnte er auf die Liebe nicht verzichten; er hatte es in seinem Leben auf zwanzig Mätressen gebracht. Damals liebte er die Tochter eines Komödianten, Therese Imer. Diese besuchte ihn täglich, aber stets in Begleitung ihrer Mutter, welche sich zwar um ihres Seelenheiles willen von der Bühne zurückgezogen hatte, aber doch noch die Interessen des Himmels mit den Werken dieser Welt vermitteln wollte. Täglich musste ihre Tochter zur Messe und wöchentlich zur Beichte, nachmittags aber führte sie das Mädchen dem verliebten Greis zu, dessen Wut mich in Schrecken setzte, wenn sie ihm einen Kuss verweigerte, weil sie am Morgen ihre Andacht verrichtet habe und den Gott, den sie noch in sich habe, nicht beleidigen wollte. Ich, ein Fünfzehnjähriger, war der einzige Zeuge dieser erotischen Szenen. Da ich bei allen Damen, die zur Gesellschaft des Herrn Malpiero gehörten, meiner Neigung zur Eleganz wegen außerordentlich freundlich aufgenommen wurde, so dass ich sie begleiten durfte, wenn sie ihre Töchter in den klösterlichen Pensionen besuchte, fragte mich Herr von Malpiero einmal, welche Vorteile diese Bekanntschaften mir gebracht und ohne meine Antwort abzuwarten, sagte er, diese Damen seien alle die Tugend selbst und jeder würde von mir eine schlechte Meinung fassen, wenn ich etwas gegen ihren guten Ruf sagen würde. So brachte er mir die weise Lehre der Verschwiegenheit bei. Meine Eleganz brachte aber den Pfarrer auf, zu dessen Kirche ich gehörte, und er drohte mir die Exkommunikation an, wenn ich die Haare nicht anders tragen würde. Da ich aber darauf nicht hörte, schlich er sich eines Morgens mit Hilfe meiner Großmutter in mein Zimmer und schnitt mir alle Haare des Vorderkopfes ab, von einem Ohr bis zum andern. Aber er erreichte das Gegenteil dadurch: Herr von Malpiero schickte mir einen ausgezeichneten Friseur, welcher mein Haar so kunstvoll anordnete, dass ich noch zufriedener mit meinem Aussehen wurde. Ich wollte mich zwar rächen, das Gericht anrufen, vor allem aber mich einem anderen Pfarrer unterstellen, aber nach einiger Zeit bestimmte Herr von Malpiero mich zum Redner für den Panegyrikus auf das heilige Sakrament, was er als Präsident der Brüderschaft zu übertragen hatte. Ich war entzückt und machte mich gleich an die Arbeit, für die ich das Thema dem Horaz entnahm: Floravere suis non respondere favorem speratum meritis. (Sie beklagten sich, dass die gehoffte Gunst nicht ihren Verdiensten entspräche.) Als ich fe