1. KAPITEL
„Jeb, ich komme später raus und sehe mir den Traktor an, den du reparieren willst. Vorher muss ich aber noch Bewerbungsgespräche führen. Die Stelle der Köchin soll neu besetzt werden. Die erste Bewerberin müsste jede Minute hier sein.“
Unter der breiten Krempe seines schwarzen Stetson blickte Ryan Delaney in die Ferne. Er schob die Hände in die Taschen und lauschte dem Geräusch eines näher kommenden Wagens, während er auf der Veranda seines Ranchhauses in West Texas stand.
„Es ist ziemlich früh für eine Frau aus der Stadt, um hier rauszukommen“, bemerkte Jeb.
„Diese wollte ein frühes Vorstellungsgespräch. Sie kommt mit dem Auto aus Dallas, also wird sie seit mindestens drei Stunden unterwegs sein.“
„Sie steht früh auf – ein gutes Zeichen. Was ist mit ihrem Mann? An welchem Job ist er interessiert?“
„Es gibt keinen Mann.“
Jeb kniff die Augen zusammen. „Ich dachte, du hättest eine Vereinbarung mit der Agentur, dass du für das Hauspersonal nur Paare einstellst.“
Jeb hatte recht, doch irgendwie hatte Martin Clayburne von der Arbeitsagentur ihn zu diesem Vorstellungsgespräch überredet und ihm versprochen, er werde es nicht bereuen. Ryan nahm an, dass es ein kurzes Gespräch werden würde. „Ich habe Martin gebeten, mir keine junge, alleinstehende Frau zu schicken. Daher werde ich diese Bewerberin auf keinen Fall einstellen.“
„Na ja, schau dir den Traktor an, sobald du kannst. Wenn du das Problem siehst, wirst du mir zustimmen, dass eine Reparatur besser ist, als einen neuen zu kaufen.“ Ryan hörte Motorengeräusche und entdeckte eine Staubwolke auf dem Weg, der zum Haus führte. Schnell wandte er sich wieder an seinen Vorarbeiter, der sich den Hut in den Nacken geschoben hatte. „Wann kommen eigentlich die beiden neuen Stuten?“
„Die hole ich morgen Nachmittag ab.“
„Leg einen Stopp am Haus ein, dann werfe ich einen Blick auf sie“, sagte Ryan, schaute zufrieden zum Korral hinüber und atmete tief ein. Er mochte die Arbeit auf der Ranch lieber als die in seiner Ölbohr- und Energiefirma. Obwohl er sich wünschte, ständig hier sein zu können, verbrachte er meistens nur eine Woche im Monat auf der Ranch. Dabei wollte er an allem teilhaben, was auf der RD-Ranch vor sich ging. Das Leben hier gefiel ihm.
„Es sind gute Pferde. Vertrau mir.“ Jeb schob den Hut noch weiter zurück und schaute an Ryan vorbei. „Mann, jetzt sieh dir das an.“ Er klang beinah ehrfürchtig.
Ryan sah einen Wagen über die Zufahrt rasen, der durch die letzte Kurve schlitterte und etwa hundert Meter von der Veranda entfernt zum Stehen kam. Es handelte sich um ein rotes Cabrio. Die blonde Frau darin stellte den Motor aus und griff nach ihrer Handtasche.
„Du meine Güte“, brummte Jeb. „Die kann bestimmt nicht mal Toast zubereiten. Nicht, dass es darauf ankäme“, fügte der Vorarbeiter hinzu.
„Auf die Wette lasse ich mich lieber nicht ein“, erwiderte Ryan, ohne den roten Wagen und die Fahrerin aus den Augen zu lassen. Die Tür schwang auf, und sie stieg aus. Sie trug ein hellblaues Sommerkostüm, dessen Rock kurz genug war, um ihre langen wohlgeformten Beine sehr vorteilhaft zur Geltung zu bringen. Die obersten Knöpfe ihrer dazu passenden Bluse standen offen und offenbarten ein aufregendes Dekolleté.
„Wow! Ich wette mit dir, dass du sie einstellst, egal, ob sie nun kochen kann oder nicht.“
„Du wirst verlieren“, warnte Ryan ihn.
„Stell sie trotzdem ein. Ich bringe ihr Kochen bei.“
Ryan konnte nicht aufhören, die Frau anzusehen, musste aber über Jebs Angebot grinsen. „Ich werde das im Hinterkopf behalten. Auf jeden Fall ist sie eine echte Augenweide. Es würde mich doch sehr wundern, wenn sie jemals zuvor einen Job als Köchin hatte. Sie sieht eher aus wie ein Filmstar oder wie ein Model, nicht wie eine Köchin auf einer Ranch irgendwo in Texas.“
„Ich verschwinde.“
„Bleib noch, dann mache ich euch bekannt – nur für den Fall, dass sie abends mal eine der Kneipen in der Gegend besucht.“ Ryan musterte den Wagen, der neu und sehr teuer aussah. „Wieso bewirbt sie sich als Köchin, wenn sie einen solchen Wagen fährt?“
Ryan kannte genug Frauen, um zu wissen, dass auch die Kleidung der Blondine teuer gewesen war. Während die Bewerberin sich den Verandastufen näherte, ging er ihr entgegen. Sie stieg die Stufen hinauf, und Ryan starrte ihre Beine an.
Die Frau lächelte strahlend und offenbarte dabei makellos weiße Zähne sowie ein Grübchen in der Wange. Er ging schneller und schüttelte ihr die Hand. Kaum dass er sie berührt hatte, begann sein gesamter Körper zu kribbeln. Als er in ihre kristallblauen Augen schaute, fühlte er sich, als würde er in den geheimnisvollen Tiefen des Meeres versinken.
„Mr Delaney, mein Name ist Jessica Upton. Ich bin wegen des Vorstellungsgesprächs hier.“ Sie hatte eine weiche Stimme, der Ryan für den Rest des Tages hätte lauschen können.
„Freut mich, Sie kennenzulernen. Das hier ist mein Vorarbeiter Jeb White.“ Ryan war hingerissen von ihrem Lächeln. So sehr, dass er gar nicht merkte, dass er ihre Hand noch immer festhielt. Widerstrebend ließ er sie los.
Jeb schüttelte ihr ebenfalls die Hand. „Freut mich sehr, Sie kennenzulernen, Miss Upton.“ Dann wandte er sich an Ryan. „Ich mache mich jetzt auf den Weg. Wir sehen uns später in der Werkstatt.“
„Klar“, antwortete Ryan, ohne den Blick von Jessica abzuwe