»Modern sein heißt auf dem Wege sein, unmodern zu werden.«1
Marie von Ebner-Eschenbach ist die berühmteste österreichische und – neben Annette von Droste-Hülshoff – die berühmteste deutschsprachige Schriftstellerin des 19. Jahrhunderts. Nach wie vor bewundert werden ihre Aphorismen, nicht zuletzt dank ihrer Verbreitung im Internet: »Eine gescheite Frau hat Millionen geborener Feinde: – alle dummen Männer.« – »An Rheumatismen und an wahre Liebe glaubt man erst, wenn man davon befallen wird.« – »Jeder Mensch hat ein Brett vor dem Kopf – es kommt nur auf die Entfernung an.« – »Wer nichts weiß, muß alles glauben.« Oder, ebenso zeitlos gültig: »Der Gescheitere gibt nach! Eine traurige Wahrheit; sie begründet die Weltherrschaft der Dummheit.«2
Dass Ebner-Eschenbach als Figur aber heute in irgendeiner Weisesexy wäre, wird kaum jemand behaupten. Man verbindet mit ihr das etwas angestaubte Bild einer Matrone und einen Tugendkatalog ganz nach dem Geschmack des 19. Jahrhunderts: Güte, Mitleid, Weisheit, Mütterlichkeit, Mitmenschlichkeit, Tierliebe, Herzenswärme. Und, das schon auch, eine Reihe von klassischen Werken des Bürgerlichen Realismus, vielleicht den RomanDas Gemeindekind, gewiss einige Novellen, die es zu Lesebuchehren gebracht haben und je nach Geschmack als richtig schön traurig