: Gustave Flaubert, Maxime Du Camp
: Über Felder und Strände Eine Reise in die Bretagne
: Dörlemann eBook
: 9783038209256
: 1
: CHF 23.50
:
: Erzählende Literatur
: German
: 480
: Wasserzeichen
: PC/MAC/eReader/Tablet
: ePUB
Die Reise in die Bretagne mit seinem Freund Maxime Du Camp im Sommer 1847 muss für Flaubert ein Befreiungsschlag in einer bedrückenden Zeit gewesen sein. Im Jahr zuvor hatte er den Vater und die geliebte Schwester verloren und fand sich nun, bedroht von den wiederholten Nervenanfällen, allein mit der Mutter und der verwaisten kleinen Nichte in dem Landhaus der Familie in Croisset. Heute berühmte Jugendwerke lagen unveröffentlicht in der Schublade und die Beziehung zu Louise Colet war mehr als krisenhaft. Freiheit ist das wichtigste Element in diesem Reisebericht, den die beiden Gefährten gemeinsam verfassen: die innere Freiheit, die aus dem ungebundenen Umherstreifen folgt und in einem farbigen Mosaik von Betrachtungen und Assoziationen ihren Ausdruck findet. Geschichte und Kultur, Mensch und Natur, denkwürdige Orte und armseligste Behausungen, alles ist hier gleichermaßen bedeutungsvoll und mit der gleichen Hingabe beschrieben.

Gustave Flaubert, geboren 1821 in Rouen, studierte zunächst auf Drängen des Vater Jus, gab das Studium jedoch krankheitsbedingt 1843 auf und unternahm 1847 seine erste große Reise in die Bretagne mit seinem Freund, dem Literaten Maxime Du Camp. Die beiden beschlossen, gemeinsam einen Reisebericht zu verfassen, bei dem Flaubert die ungeraden Kapitel übernahm.

Kapitel i


Am 1. Mai 1847, morgens um halb neun, haben die beiden Monaden, deren Verbindung dazu dienen wird, die folgenden Bögen zu schwärzen, Paris mit dem Ziel verlassen, zwischen Farnkraut und Ginster oder auf den weiten Sandstränden am Meeressaum unbeschwert Atem zu schöpfen. Sie hatten keinen anderen Ehrgeiz, als nach einem von Wattewolken geflockten, klaren Stück Himmel zu suchen oder auf der Rückseite einer weißen Klippe, versteckt unter Stechpalmen und Eichen, zwischen Fluss und Hügel, eines jener armen kleinen Dörfer zu entdecken, wie sie noch zu finden sind, mit Holzhäusern, Wein, der die Wände hochrankt, Wäsche, die auf der Hecke trocknet, und Kühen an der Tränke.

Auf ein andermal, auf später die großen Reisen um die Welt, auf dem Rücken von Kamelen, auf türkischen Sätteln oder unterm Baldachin auf Elefanten; auf ein andermal, wenn es denn je dazu kommt, das Schellengeläut andalusischer Maultiere, die verträumten Wanderungen in der Maremma und die Melancholien der Geschichte, die mit dem Dunst der Morgendämmerung aus der Tiefe jener Horizonte aufsteigen, wo sich die Dinge zugetragen haben, die man sich aus alten Büchern zusammenspinnt.

Heute ziehen wir los, ohne ihn allzu sehr aufzugeben, den Platz am Kamin, wo man seine Pfeife und seine Träumereien zurücklässt, um sie fast warm noch wiederzufinden, und, ohne die geringste Qual von Abschiedsschmerz, mit Rucksack, Nagelschuhen an den Füßen, Knotenstock in der Hand, Rauch auf den Lippen und Grillen im Kopf querfeldein zu laufen, um in Herbergen in großen Himmelbetten zu schlafen, wenn es geregnet hat unter den Bäumen die Vögel singen zu hören und sonntags die Bäuerinnen mit ihren hohen weißen Hauben und ihren dicken roten Röcken unter der Kirchentür aus der Messe kommen zu sehen, und was noch? gewiss, um sich das Fell zu verbrennen und vielleicht, um sich Flöhe einzufangen?

So kam es denn, dass zwei vernunftbegabte Wesen (Definition des Menschen in Büchern) sieben Monate lang über Muster, Farbe, Form, Ausführung und passende Zusammenstellung folgender Dinge nachgedacht haben, als da sind:

Ein Hut aus grauem Filz;

Ein Stock für Pferdehändler (eigens aus Lisieux gekommen)

Ein Paar derbe Schuhe (weißes Leder, Nägel in Form von Krokodilzähnen)

dito aus Lackleder (Stadtkostüm für diplomatische Besuche, wenn sich welche ergeben, oder fürFahrten nach Paphos, falls uns zufällig die Gänse jener göttlichen Schönheit im Wagen der Göttin entführen sollten)

Ein Paar Ledergamaschen (passend zu den derben Schuhen); dito aus Tuch (um an Lackschuhtagen unsere Socken vor Staub zu schützen);

Eine Leinenjacke (Stallburschenschick)

Eine Leinenhose (ordentlich weit, um in die Gamaschen gesteckt zu werden)

Eine Leinenweste (deren eleganter Schnitt die Gewöhnlichkeit des Stoffes ausgleicht)

Dazu füge man den gleichen Anzug noch einmal aus Tuch, außerdem ein vorzügliches Messer, zwei Feldflaschen, eine Pfeife aus Holz, drei seidene Hemden, was ein Europäer so für seine Tagespflege braucht, und dann hat man das Drum und Dran, in dem wir in der Bretagne aufgetaucht sind, in dem wir ein paar Wochen lang bei Sonne und Regen gelebt haben: über einen Anzug für den Ball wurde nie liebevoller nachgedacht, und ganz sicher wurde er nie mit so wenig Bedenken getragen.

Die Kanone donnerte,um den König zu feiern, die Nationalgarden schickten sich an, in ihrer Uniform das Kinn zu recken, und die Zündmeister der fürstlichen Verwaltung bereiteten ihren Talg für die abendliche Feierlichkeit vor, a