1. KAPITEL
London, acht Jahre später
Saskia Prentice atmete den süßen Duft des Erfolgs ein, als sie auf die Tür zum Sitzungssaal zuging.
In weniger als fünf Minuten würde es offiziell sein – man würde sie zur Chefredakteurin des WirtschaftsmagazinsAlphaBiz ernennen.
Und sie hatte so hart dafür gearbeitet!
Zwölf Monate lang hatte sie sich mit ihrer Kollegin, der Journalistin Carmen Rivers, einen erbitterten Konkurrenzkampf geliefert. Carmen hatte kein Geheimnis daraus gemacht, dass siealles tun würde, um den Job zu bekommen, und war ihrem Ruf sicher auch gerecht geworden. Sie, Saskia, hingegen hatte beständig die besten Storys aus der ganzen Welt geliefert und Porträts über Wirtschaftsbosse verfasst, an die man nicht so leicht herankam. Erst vor zwei Tagen hatte der Vorstandsvorsitzende angedeutet, dass man sich für sie entschieden hätte und man sie in der heutigen Sitzung zur Chefredakteurin ernennen würde.
Den ganzen Tag hatte sie angespannt darauf gewartet, dass man ihr Bescheid sagte. Endlich würde sie den Posten bekommen. Und endlich würde sie in der Lage sein, ihren Vater aus dem schmuddeligen Einzimmerapartment herauszuholen und ihm einen Platz in einem guten Pflegeheim zu besorgen. Sie hatte schon alles bis ins kleinste Detail geplant. Sie würde sich in der Nähe ein Cottage mit einem kleinen Garten suchen, in dem er am Wochenende herumwerkeln konnte. Mit der großzügig bemessenen Sonderzahlung, die mit der Beförderung einherging, und ihrem höheren Gehalt würde sie sich all das und noch mehr leisten können.
Während Saskia eine Hand auf die Klinke legte und sich mit der anderen vergewisserte, dass sich keine Strähne aus dem strengen Knoten in ihrem Nacken gelöst hatte, atmete sie ein letztes Mal tief durch. Dies war ihre große Chance. Sie würde das Ansehen der Familie Prentice in der Geschäftswelt wiederherstellen und dafür sorgen, dass ihr Vater nach all den Jahren seinen Stolz zurückbekam.
Nachdem Saskia leise an die Holztür geklopft hatte, öffnete sie sie.
Sonnenlicht fiel durch das große Fenster und blendete sie für einen Moment. Saskia blinzelte überrascht, als sie dann feststellte, dass sie wider Erwarten nicht alle Vorstandsmitglieder sah, sondern nur den Vorsitzenden. Da er am Kopfende saß, zeichnete sich seine Silhouette gegen das helle Licht ab, und seine Miene war unergründlich. Obwohl der Raum angenehm temperiert war, fröstelte es Saskia plötzlich.
„Ah, Miss Prentice …Saskia“, begrüßte er sie leise und bedeutete ihr, ihm gegenüber Platz zu nehmen. „Vielen Dank, dass Sie gekommen sind.“
Sie antwortete automatisch, während sie weiter blinzelte. Ein unbehagliches Gefühl beschlich sie.
Irgendetwas stimmte hier nicht.
Sir Rodney Krieg war ein Hüne mit einer dröhnenden Stimme, aber an diesem Tag klang er beinah sanft, was er sonst nie tat. Und wo steckten die anderen Vorstandsmitglieder? Warum waren sie nicht anwesend?
Der Vorsitzende stieß einen langen, beinah resignierten Seufzer aus. „Sie wissen, dass wir bei der Planung dieser Sitzung vorhatten, Sie offiziell zur Chefredakteurin zu ernennen?“
Saskia nickte. Da ihr die Kehle wie zugeschnürt war, brachte sie kein Wort über die Lippen. Seine Worte dämpften ihre anfängliche Euphorie.
„Leider mussten wir unsere Pläne etwas ändern.“
„Das verstehe ich nicht“, brachte sie hervor, während sie die Enttäuschung zu unterdrücken versuchte, die sie überkam. Trotzdem hielt sie beharrlich an ihren Träumen fest. Vielleicht zögerte sich das Ganze nur hinaus?
Es sei denn, man hatte den Job doch Carmen gegeben …
„Hat der Vorstand beschlossen, Carmen zur Chefredakteurin zu machen?“
Sir Rodney schüttelte den Kopf, und sekundenlang war Saskia erleichtert.
„Oder zumindest noch nicht“, fügte er hinzu.
Erneut schwand ihre Hoffnung.
Doch sie wollte sich nicht kampflos geschlagen geben. So einfach würde sie sich nicht wegnehmen lassen, wofür sie so hart gearbeitet hatte. Während Saskia sich zwang zu antworten, flammte Wut in ihr auf. „Was soll das heißen, ‚noch nicht‘? Was ist passiert? Erst vor zwei Tagen haben Sie mir gesagt …“
Er bracht