2. KAPITEL
„Wachen Sie auf.“ Zafar schüttelte Ana behutsam, die zusammengerollt wie ein Kind dalag und fest schlief.
Die Sonne ging gerade hinter den Bergen auf, und es herrschten noch angenehme Temperaturen. In wenigen Stunden würde es zu heiß zum Reiten sein. Bis dahin wollte er die nächstgelegene Oase erreicht haben, um dort eine Rast einzulegen. Am Spätnachmittag, wenn es sich wieder etwas abgekühlt hatte, beabsichtigte er, mit Ana zur Stadt weiterzuziehen.
Noch eine Nacht im Freien wollte er der zerbrechlich wirkenden Blondine nicht zumuten. Ein längerer Aufenthalt in der Wüste würde ihrem zarten Teint schaden. Außerdem brauchte er dringend Schlaf.
In diesem Moment schlug sie die Augen auf. „Ich …“ Abrupt setzte sie sich auf. „Oh nein! Es war also kein Albtraum.“
„Leider nicht. Meinen Sie damit mich oder Ihre Entführung?“
„Alles. Auf dieses Abenteuer hätte ich gut verzichten können. Mir tut alles weh. Der Boden war einfach schrecklich hart.“
„Darüber müssen Sie sich bei Ihrem Schöpfer beschweren.“
„Halten Sie mich etwa für wehleidig?“ Sie fuhr sich mit einer Hand durchs Haar, wobei sich ihre Finger darin verfingen.
Unwillkürlich fragte Zafar sich, wann sie es zum letzten Mal gekämmt hatte. Ein Bad hatten ihre Entführer ihr bestimmt nicht ermöglicht und auch sonst wohl keine Rücksicht auf ihre Bedürfnisse genommen. Dafür hätte er die Männer nur zu gern zur Rechenschaft gezogen. Doch in seiner zukünftigen Position durfte er sich nicht von Gefühlen leiten lassen. Er musste seine Ziele um jeden Preis verfolgen.
„Solche Gedanken mache ich mir überhaupt nicht. Sie stellen für mich lediglich eine Last dar und behindern mein Vorankommen.“ Er hatte es schließlich eilig, zum Palast zu gelangen. Seine Männer hatten ihn informiert, dass Botschafter Rycroft, ein Freund seines verstorbenen Onkels, auf einem baldigen Treffen bestand. Diese Begegnung würde nicht angenehm verlaufen – wie überhaupt sein weiteres Leben. Von nun an würde er es fast ausschließlich der Politik widmen müssen.
„Ich habe weder darum gebeten, entführt zu werden, noch dass Sie mich kaufen.“
„Haben Sie es schon vergessen? Ich habe Lösegeld für Sie gezahlt.“
„Wie Sie es nennen ist mir egal. Es geschah auf jeden Fall gegen meinen Willen.“
„Würden Sie sich jetzt bitte nach draußen begeben, damit ich das Zelt abbauen kann?“
Ana stand auf, warf ihm einen bitterbösen Blick zu und ging mit hocherhobenem Kopf an ihm vorbei ins Freie.
„Falls Sie Hunger haben, Sie finden in einer der Satteltaschen Dörrfleisch.“
Obwohl sie darauf absolut keinen Appetit verspürte, durchwühlte Ana die Taschen und fiel gleich darauf mit unerwartetem Heißhunger über den Proviant her.
„Ist noch Wasser da?“, fragte sie dann hoffnungsvoll.
„Im Schlauch.“ Während sie es trank, baute Zafar rasch das Zelt ab.
„Haben die Entführer Ihnen nichts zu essen gegeben?“
„Nicht genug jedenfalls. Außerdem war ich mir nicht sicher, was ich davon halten sollte. Also habe ich nur etwas zu mir genommen, wenn es gar nicht mehr anders ging.“
„Sie zu vergiften oder unter Drogen zu setzen, hätte den Kidnappern keinen Vorteil verschafft.“
„Vermutlich nicht, aber auf diese Idee bin ich einfach nicht gekommen.“
„Was kein Wunder war in solch einer Situation.“
„Sie werden mir doch nichts antun, oder?“ Sie sah ihn mit großen Augen fragend an.
„Darauf gebe ich Ihnen mein Wort.“ Eine Frau zu misshandeln war eindeutig unter seiner Würde.
„Ich glaube Ihnen. Sonst hätte ich diese Nacht auch nicht schlafen können.“
„Wie viele Nächte haben Sie durchwacht?“
Ana schüttelte den Kopf. „Keine Ahnung. Ich hatte Angst, die Augen zu schließen, weil ich nicht wusste, was dann passiert. Dadurch wurde alles allerdings noch schlimmer. Wenn man müde ist, vermischen sich Realität und Wahnvorstellungen … Ich war kurz davor, verrückt zu werden.“
„Dann hören Sie mir jetzt gut