: Bettina Balàka
: Auf offenem Meer Erzählungen
: Haymon
: 9783709974803
: 1
: CHF 15.30
:
: Erzählende Literatur
: German
: 128
: Wasserzeichen
: PC/MAC/eReader/Tablet
: ePUB
Simone verachtet ihre Schwieger-Großmutter - eine Frau, die davon träumt, Adolf Hitler im Jenseits endlich einmal die Hand zu schütteln, und die Simone, der Enkelin eines Widerstandskämpfers, ihre 'nicht-arische Physiognomie' vorwirft. Aber was tun, wenn diese verhasste Ewiggestrige einem am Totenbett ihre Villa vermacht, ein prächtiges Haus mit großem Garten, ideal für eine junge Familie - mit dem einzigen Haken, dass es sich dabei um 'arisierten' Besitz handelt? In der Theorie ist es ja leicht, das Richtige zu tun und die korrekten Einstellungen zu vertreten - aber wenn die Wirklichkeit ihre Fallstricke auslegt, sehen die Dinge schon ganz anders aus ... Bettina Balàka erzählt von kleinen Helden und großen Feiglingen, von scheinbarer Freiheit und vermeintlichen Fesseln - und von der absurden Logik der Geschichte.

Bettina Balàka, geboren 1966 in Salzburg, lebt als freie Schriftstellerin in Wien. Zahlreiche Buchveröffentlichungen, Theaterstücke und Hörspiele. Vielfach ausgezeichnet, u.a. mit dem Theodor-Körner-Preis (2004), dem Salzburger Lyrikpreis (2006) und dem Friedrich-Schiedel-Literaturp eis (2008). Zuletzt erschienen: Eisflüstern. Roman (2006), Schaumschluchten. Gedichte (2009). Bei Haymon: Auf offenem Meer. Erzählungen (2010).

Lignum vitae


Sir Isaac Newton hätte beinahe alles zunichte gemacht.

Ich wusste sofort, dass etwas Besonderes eintrat, als vor siebenundneunzig Tagen ein weißgelockter Mann mit drei kindshohen Kisten das Fallreep unseres Schiffes hinaufstieg. Er hatte natürlich eine gepuderte Perücke auf, aber ich spürte, dass er auch darunter weißgelockt war, und später, als er zu mir Vertrauen gefasst hatte und an heißen Tagen in seiner Kajüte die Perücke abnahm, sollte sich diese Ahnung bestätigen. An dem Morgen, als er mit unsicheren Schritten in die Mary Mallory einzog (denn er war kein Seemann, das sah man sofort), schwankend unter dem Gewicht der einen der drei Kisten, die er selbst trug, obwohl er ein halber Gentleman war (auch das sah man sofort), dabei die zwei Träger der anderen beiden Kisten streng dirigierend, sah ich nur einmal kurz auf von dem Tau, das ich zu teeren hatte, so wie man in der Arbeit innehält und zum Schein nach dem Wetter hinsieht, ohne dass ein Oberer Verdacht auf Faulheit schöpfen könnte, sah diesen Fremden und seine zwei Träger und seine drei Kisten, und ich wusste, dass mir bald etwas Großes bevorstand, eine Lebenswendung, ein Schicksal, wie man es in der Langeweile auf See selten erfährt. Von Sir Isaac Newton hatte ich zu diesem Zeitpunkt noch niemals gehört.

Was könnte einem Schiffsjungen, m