1. KAPITEL
„Packen Sie Ihre Koffer, Andi, wir fahren für ein paar Tage nach Schottland!“
Stirnrunzelnd blickte Andrea zu James hinüber, der auf der Schwelle zwischen ihren beiden Büros im obersten Stock von Tarrington Park stand. Da sie heute Morgen seinen Wagen auf dem Parkplatz gesehen hatte, wusste sie bereits, dass er im Haus war. Nicht deswegen, sondern wegen seiner Worte reagierte sie so überrascht. „Schottland?“
„Hmm.“ James schlenderte ins Zimmer und lehnte sich gegen ihren Schreibtisch. Das braune Haar trug er nun ein bisschen kürzer als noch vor einem Jahr. Die grünen Augen blickten jedoch noch genauso hart und kalt wie damals. „Jetzt, da Tarrington Park eröffnet ist, bin ich auf der Suche nach dem nächsten Projekt. Es gibt da ein Schloss in Schottland, das ich vielleicht kaufen werde.“
„Und Sie wollen, dass ich Sie begleite?“
Bislang hatte er sie nie gebeten, mit ihm auf Geschäftsreise zu kommen. Nun, auch jetzt bat er sie nicht darum, mahnte sie sich. Vielmehr hatte er ihr schlicht gesagt, dass sie fahren würden.
„Sie sind meine persönliche Assistentin“, erinnerte er sie.
Dessen war Andrea sich durchaus bewusst. Ebenso war sie sich bewusst, dass sie in den vergangenen Monaten angefangen hatte, in James mehr zu sehen als ihren Arbeitgeber, der manchmal nach Tarrington Park kam, sich über den Stand der Umbaumaßnahmen informierte und dann wieder nach London verschwand.
Dass James von seiner Assistentin erwartete, dass sie ihm auch auf einer Geschäftsreise zur Seite stand, war absolut verständlich. Tatsächlich hatte sie Gerald Wickham immer bei solchen Anlässen begleitet. Aber James war nicht Gerald …
Sie wusste um seinen rücksichtslosen Ruf, wenn es um Geschäfte oder Frauen ging. Deshalb hatte sie stets darauf geachtet, ihn auf Armeslänge von sich fernzuhalten. Es war ihr nicht schwergefallen. Emotional fühlte sie sich nach dem Tod von David und ihrem Vater ohnehin wie betäubt.
Aber allmählich – hinterrücks, wie es ihr vorkam – stellte sie fest, dass sie sich mehr und mehr auf James’ Überraschungsbesuche freute. In seinen Augen bemerkte sie einen verführerischen Schimmer. Sie mochte sein seltenes Lächeln. Die breiten Schultern und sein muskulöser Körper gefielen ihr immer besser.
Deshalb reagierte sie auch emotional so heftig auf seine Nähe, als er sich nun gegen ihren Schreibtisch lehnte.
Verärgert über sich selbst verzog Andrea das Gesicht. „Von welchem Flughafen aus fliegen wir?“, fragte sie knapp und atmete wieder leichter, als James sich vom Tisch abstieß.
„Ich haben überlegt, mit dem Range Rover zu fahren.“
„Fahren?“ Andrea blickte durchs Fenster auf den grauen Winterhimmel. „Schneit es nicht im Februar in Schottland?“
„Seien Sie nicht so negativ, Andi“, fuhr er auf. „Sonst könnte ich noch auf den Gedanken kommen, Sie wollen gar nicht mit mir nach Schottland reisen.“
Genau das wollte sie ja auch nicht!
Allein die Vorstellung, mehrere Tage ununterbrochen mit ihm zusammen zu sein, wenn seine Nähe ihr jetzt schon so zusetzte, ließ ein flaues Gefühl in ihrem Magen aufsteigen und ihren Puls rasen.
„Was ist Ihr Problem, Andi?“, fragte James. „Haben Sie am Wochenende schon etwas anderes vor? Ein romantisches Rendezvous vielleicht?“, fügte er spöttisch hinzu.
„Natürlich nicht!“, brauste sie auf.
James lächelte wissend. „Natürlich nicht“, wiederholte er. „Es ist über ein Jahr her, dass der heilige Simmington-Brown gestorben ist … wird es nicht langsam Zeit, dass Sie wieder anfangen zu leben?“ Vor allem weil ihr Verlobter mitnichten ein Heiliger war, dachte James angewidert. Im vergangenen Jahr hatte er viel zu viele Geheimnisse des anderen Mannes herausgefunden. Geheimnisse, von denen Andrea keine Ahnung hatte.
Seine Entscheidung, Andrea Buttonfield als Assistentin einzustellen und sie mit der Inneneinrichtung von Tarrington Park zu betrauen, war, musste er sich eingestehen, der beste geschäftliche Schachzug, den er je gemacht hatte. Doch das Hotel und das angeschlossene Konferenzzentrum hatten vor mehreren Monaten Eröffnung gefeiert und wurden seither sehr erfolgreich von Michael Hall gemanagt. Es war an der Zeit, sich dem nächsten Projekt zu widmen. Für sie beide.
Bei James’ Bemerkung über David versteifte Andrea sich. „Mein Privatleben geht Sie nichts an.“
Er stieß ein höhnisches Schnauben aus. „Sie haben doch gar kein Privatleben!“
„Dann ist es ja gut, dass Sie eines führen, das für uns beide ausreicht, oder?“, schoss sie zurück. Unwillkürlich hatte sie an die Fotos in de