: Sina Beerwald
: Heringsmord
: Emons Verlag
: 9783863589592
: 1
: CHF 6.80
:
: Krimis, Thriller, Spionage
: German
: 192
: kein Kopierschutz
: PC/MAC/eReader/Tablet
: ePUB
Ein Leben auf Sylt? Ein Traum! Jedenfalls für das Rentnerpaar Frieda und Ernst Schmälzle. Da das Ersparte für ein Reetdachhäuschen jedoch nicht reicht, lassen sie sich mitsamt Spätzlespresse und Dackel Gustav auf dem Kampener Campingplatz nieder. Doch zwischen Gemeinschaftsdusche und Chemietoilette schwelen die Konflikte, und in der Ehe der Schmälzles beginnt es heftig zu kriseln - bis ein Platznachbar ermordet aufgefunden wird und Frieda die Unschuld ihres Mannes beweisen muss . . . Ein urkomisches Ermittlerduo zwischen Wattvilla, Wohnwagen und Whiskymeile.

Sina Beerwald, 1977 in Stuttgart geboren, wanderte vor acht Jahren mit zwei Koffern und vielen kriminellen Ideen im Gepäck auf die Insel Sylt aus und lebt dort seither als freie Autorin. Seitdem sind sieben erfolgreiche Romane und der Erlebnisführer '111 Orte auf Sylt, die man gesehen haben muss' erschienen. Sie ist Preisträgerin des NordMordAward und des Samiel Award. www.sina-beerwald.de

EINS

Heute ist der 6. Juli, der große Tag. Die Rollläden an unserem Reihenendhäusle in Bopfingen sind runtergelassen, und mein Mann packt das Ersparte in den Strumpf und unseren Dackel Gustav samt Spätzlespresse in das Heiligsblechle. Einen Volkswagen T1, den wir uns vor vierundvierzig Jahren zur Hochzeit geschenkt haben und der von meinem Ernst definitiv mehr gehegt und gepflegt wird als unser Eheleben. Zu meinem Leidwesen hat er, also mein Mann, im Alter definitiv mehr Macken ausgebildet als das rote Autoblech.

Eigentlich kann jetzt nix mehr schiefgehen. Eigentlich, denke ich.

Ein eigenes Reetdachhäusle in Kampen – das wäre für uns, Frieda und Ernst Schmälzle aus dem Schwabenland, ein Traum.

Gewesen.

Denn trotz Bausparvertrag hat es leider nur zum Reihenendhäusle in Bopfingen gereicht, in das nun unsere jüngste Tochter zu Weihnachten einziehen wird. Wir wollten zur Rente so gern auf Sylt leben, richtig inmitten der Schönen und Reichen. Aber was soll’s, der Schwabe an sich ist ja genügsam, und ein Hauch von Luxus weht überall auf der Insel, also: Los geht’s zum Kampener Campingplatz! Dort hat mein Ernst bis zum Herbst einen Dauerstellplatz ergattert. Vor Ort müssen wir uns dann noch um eine Überwinterungsmöglichkeit kümmern. Aber kommt Zeit, kommt Rat, es ist ja erst Anfang Juli.

»Hast du die Bibel dabei?«, fragt mich mein Mann, als wir unser Dörfle am östlichsten Zipfel von Baden-Württemberg hinter uns lassen und bei Aalen-Westhausen auf die Autobahn fahren.

Mir läuft es eiskalt den Rücken runter. Ich habe an alles gedacht, wirklich an alles. Aber wie hätte ich ahnen sollen, dass mein Ernst auf seine alten Tage noch zum Kirchgänger wird? Mit dem Thema war er schon als Sechsjähriger durch, nachdem seine Eltern an einem Sonntag bei einem Autounfall ziemlich unbarmherzig ums Leben gekommen waren.

Seine Großmutter, bei der er fortan aufwuchs und die ich, Gott sei’s gedankt, nicht lange als Großschwiegermutter habe ertragen müssen, kommentierte damals dieses für meinen Mann epochale Ereignis, mit dem seine Kindheit ein abruptes Ende nahm, mit den Worten: »Wären deine Eltern am Vormittag in die Kirche gegangen, wie sich das für anständige Leute gehört, wäre der Unfall nicht passiert und sie würden noch leben.«

Von diesem Tag an wollte mein Ernst alles, nur nicht anständig sein und in die Kirche gehen.

So, und wie soll ich meinem Mann nun beibringen, dass ich, ausgerechnet ich, die immer an alles denkt, eben doch nicht an alles gedacht habe?

»Ernst, wie kommst du, um Himmels willen, auf so eine Idee? Ich weiß nicht mal, ob wir eine Bibel besitzen. Höchstens meine Konfirmandenbibel, die muss ich noch irgendwo haben. Wir könnten umdrehen und …«

»Frieda! Ich meine den Berger-Katalog. Die Bibel eines jeden Campers.«

Ich atme erleichtert auf, weil ich das fünfhundertvierzigseitige Einkaufsparadies meines Mannes natürlich nicht vergessen habe. Allerdings bin ich beunruhigt, wenn ich an unseren Sparstrumpf denke. Da wird nämlich bald nichts mehr drin sein, weil mein Ernst garantie