Traummann mit Lebkuchenherz
von Emilia Jones
Erste Schneeflocken fielen am Nachmittag dieses zweiten Advents und legten sich wie eine feine Puderzuckerschicht über die Hütten des Weihnachtsmarktes. Silvia reckte die Nase ein Stück in die Höhe. Sie sog die herrlichen Düfte ihrer Umgebung in sich auf, als wären sie eine Droge, die ihr Inneres belebte.
Es roch nach Glühwein, Apfel, Zimt, Nüssen und. .. Sie verharrte in ihrem Schlendern und sah zur Seite.
»Lebkuchen«, flüsterte sie beinahe andächtig. Wie lange hatte sie schon keinen Lebkuchen mehr gegessen?
Es war eine recht kleine Hütte, die da zwischen ihre wesentlich größeren Nachbarn gequetscht stand. Ihre Beleuchtung wirkte spärlich im Vergleich zu den anderen Glanzlichtern des Marktes. Dennoch strahlte der Stand etwas Besonderes aus. Etwas Magisches. Silvia konnte dem Reiz nicht widerstehen. Sie trat einen Schritt auf die Hütte zu.
Die gesamte Vorderfront war über und über mit kleinen und großen Lebkuchenherzen behangen, und in der Auslage, hinter einer Glasscheibe, türmten sich die Lebkuchenmänner. Da gab es die einfachen Figuren mit weißem Zuckerguss, dann die mit Mandeln und Rosinen dekoriert und schließlich die bunt bemalten. Wie kleine Kunstwerke wirkten sie in ihrem Mantel aus diversen Lebensmittelfarben.
Silvia trat einen weiteren Schritt heran. Sie war versucht, ihre Handflächen gegen die Glasscheibe zu legen und ihre Nase daran plattzudrücken. Der intensiver werdende Lebkuchenduft weckte in ihr ein Verlagen, das sie in eine Trance fallen ließ.
»Ich habe genau das Richtige für Sie«, hörte sie eine sanfte Stimme, wie aus weiter Ferne sprechen.
»Meinen Herzensbrecher. Ein prächtiges Stück. Weich und süß und äußerst hübsch anzusehen.«
Silvia blinzelte.
Sie sah ein Paar Hände in die Auslage nach einem der Lebkuchenmänner greifen.
»Den will ich haben«, sagte sie und wunderte sich sogleich über ihre eigenen Worte. Was war nur los mit ihr? Hatte sie etwa einen Glühwein zu viel getrunken?
»Natürlich wollen Sie den«, gab die sanfte Stimme zur Antwort.
Nun blickte Silvia endlich auf und registrierte die freundlich lächelnde Verkäuferin hinter dem Tresen. Sie hielt den Lebkuchenmann einmal kurz in die Höhe, ehe sie ihn in einem Plastikbeutel