: Satu Taskinen
: Die Kathedrale
: Residenz Verlag
: 9783701745111
: 1
: CHF 11.70
:
: Erzählende Literatur
: German
: 310
: Wasserzeichen
: PC/MAC/eReader/Tablet
: ePUB
Tea lebt alleine und zurückgezogen, sie herrscht über ein Chaos aus Müll, den sie immer wieder neu sortiert. Doch wie wurde eine Tochter aus gutem Haus, eine Arztgattin und Mutter, zur Erbauerin schwankender Joghurtbechertürme - zum Messie? Als Teas Schwester Kerstin stirbt, trifft man sich zum Gottesdienst. Mit unterkühltem Humor und feinem Sinn für das Absurde beschreibt Taskinen, wie die würdevolle Trauerfeier einer bürgerlichen Familie in ihr Gegenteil kippt. Es tun sich alle Abgründe auf, die Tea zur verzweifelten Sammlerin jener scheinbar wertlosen Bausteine gemacht haben, aus denen ihr Leben besteht. Durch die Empathie ihres Erzählens gelingt es Satu Taskinen meisterhaft, uns mit der Grausamkeit des Familienlebens zu versöhnen.

Satu Taskinen, geboren 1970 in Helsinki. Studium der Philosophie und Germanistik an der Universität Helsinki. Taskinen arbeitet als Autorin und Journalistin. Nach mehreren Jahren in Deutschland und in den Niederlanden lebt sie seit 1999 in Wien. Für ihren in Wien spielenden Debütroman 'Täydellinen paisti' (dt: 'Der perfekte Schweinsbraten') erhielt sie 2011 den Großen Finnischen Preis für das beste belletristische Debüt des Jahres und wurde 2012 für den European Book Prize nominiert. Für ihren zweiten Roman 'Katedraali' (2014) erhielt sie den Toisinkoinen-Preis der Universität Helsinki.

Prolog


Am Unglücksort


Zu entgleisen ist viel erbarmungsloser und weit furchtbarer als gegen eine Wand zu prallen, sagte der eine Mann, er war klein, breit und philosophisch.

Das mag sein. Aber das ist keine Antwort auf eine ganz normale Frage, und ich müsste jetzt hier mal durch, Entschuldigung, sagte der andere Mann, er war lang, schmal und ungeduldig.

Ein Unfall war passiert, ein Auto war mitten auf der Straße in eine Baugrube gerutscht, Neugierige versammelten sich am Ort des Geschehens.

Ist Hilfe unterwegs?, wurde gefragt. Ja, die kommt schon, hören Sie nur. Sirenengeheul näherte sich aus mehreren Richtungen gleichzeitig, in irgendeiner Zentrale war wohl sicherheitshalber eine Art Großalarm ausgelöst worden. Bleiben würde, wer als Erster eintraf.

Auch Donner grollte. Die Frau des philosophischen Mannes mochte keinen Donner, der jagte ihr Angst ein. Sie verspürte eine wilde, mit Ehrfurcht gemischte Erregung, die ihr Herz schneller schlagen ließ und ihr Blut so stark in Wallung brachte, dass sich die Wangen röteten und die Achseln schweißfeucht wurden.

Es grollte erneut. Die Frau versuchte sich zu beruhigen: Kein Grund zur Sorge, es hat im Frühjahr ständig gedonnert, auch im Winter, im Herbst, ein ganzes Jahr lang. Nur selten wurde ein Unwetter daraus, es donnerte einfach nur. Doch dann meldeten sich andere Gedanken: vielleicht war es pures Glück gewesen, dass noch nichts Schlimmes passiert war, wo doch andererseits alles immer größer und heftiger ausfiel und häufiger auftrat, und a