: Volker Klüpfel, Michael Kobr
: In der ersten Reihe sieht man Meer Roman
: Verlagsgruppe Droemer Knaur
: 9783426436875
: 1
: CHF 10.00
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: German
: 320
: Wasserzeichen
: PC/MAC/eReader/Tablet
: ePUB
Teutonengrill trifft Dolce Vita Mensch, war das schön: Im Morgengrauen ging's los, eingepfercht auf der Rückbank der vollbeladenen Familienkutsche. Zehn Stunden Fahrt an die Adria, ohne Klimaanlage und Navi, dafür mit Modern Talking aus dem Kassettenradio. Am Strand ein Duftgemisch aus Tiroler Nussöl und Kläranlage, und statt Cappuccino gab's warme Limo. Willkommen zurück im Urlaubsparadies der 80er Jahre. Darin findet sich Familienvater Alexander Klein wieder, als er über einem Fotoalbum einnickt und als pickliger Fünfzehnjähriger erwacht - dazu verdammt, die Italien-Premiere seiner Jugend noch einmal zu erleben. Und zwischen Kohlrouladen und Coccobellomann die beste Zeit seines Lebens hat. »Klüpfel und Kobr steigern sich von Buch zu Buch.« Denis Scheck, Druckfrisch, ARD 'Ein phantastisches Buch um eine Familienzusammenführung der besonderen Art. Um Urlaub an der Adria, gute Laune, volle Strände und Sonnenbrände. Ein Urlaubsbuch, wie Sie es mögen, aber auch ein traumhaftes Buch, wie Sie es lesen sollten.' Bastian Pastewka

Volker Klüpfel teilt mit Kluftinger den Heimatort Altusried. Doch den ehemaligen Journalisten hat es beruflich nach Augsburg verschlagen. Dort lebt er nach wie vor mit seiner Familie, auch wenn ihn sein Beruf nun nicht mehr in die Kulturredaktion der Augsburger Allgemeinen, sondern an seinen Autoren-Schreibtisch führt. Studiert hat Klüpfel, Jahrgang 1971, Politik und Geschichte in Bamberg, arbeitete dann bei einer Zeitung in den USA und vertreibt sich seine Zeit mit Sport und Theater - entweder als Zuschauer oder als Mitspieler bei den Freilichtspielen in Altusried. Wie Kommissar Kluftinger.

Voyage, Voyage


Die Geschichte meiner sonderbarsten Reise beginnt so wie alle anderen Reisen unserer Familie, an die ich mich erinnere: mit Geschrei, Gezeter und dem festen Vorsatz, nie wieder einen solchen Urlaub anzutreten.

Diesmal eröffnete meine Tochter den bunten Terror-Reigen, indem sie mir wutschnaubend ihre Kopfhörer entgegenstreckte: »Ich krieg echt die Krise, dieses Opfer hat wieder meinen iPod geklaut!« Sie sah mich fordernd an. »Alex, sag diesem Pickelgesicht, dass er mir den sofort wiedergeben soll.«

Sie nannte mich seit kurzem nicht mehr Papa, sondern bei meinem Vornamen, was mir jedes Mal einen Stich versetzte, auch wenn ich wusste, dass das in ihrer Clique gerade »in« war und es nur darum ging, cool zu sein. Ich wünschte mir das immerhin etwas herzlichere »Dad« zurück, das noch vor wenigen Wochen in Mode gewesen war.

»Ich mein’s ernst! Sonst stell ich ein Badewannenbild von dem Freak bei Facebook ein.«

Ich musste mich beherrschen, nicht einfach loszubrüllen. »Wertes Fräulein Felicitas Klein, ich habe zusammen mit deiner Mutter heute den ganzen Tag die Koffer gepackt, das Haus aufgeräumt, eingekauft, Nachsendeanträge gestellt, die Zeitung für karitative Zwecke umbestellt und den Rasen gemäht. Hättest du die Güte, die Problemchen mit deinem Bruder selbst zu lösen und nicht mich damit zu behelligen?«

Felicitas setzte gerade zu einer ihrer berüchtigten Verteidigungsreden an, in denen sie immer irgendeinen Passus derUN-Menschenrechtscharta als Kronzeugen zitierte, da kam meine Frau dazu und stellte ein weiteres Gepäckstück in den bereits mit Koffern und Reisetaschen angefüllten Flur. »Du hast gehört, was Papa gesagt hat. Jakob ist in seinem Zimmer, frag ihn selber. Außerdem weiß ich nicht, wozu du diesenmp3-Player überhaupt brauchst, du hast doch zum Geburtstag das sündteure Smartphone bekommen.«

Felicitas zog maulend ab: »Und? Trotzdem gehört der iPod mir und nicht dem Schwammkopf. Und zu dem ins Zimmer geh ich nicht, da hol ich mir ja weiß Gott was!«

Ich schrie ihr hinterher: »Ich weiß nicht, was mit euch los ist, meine Schwester und ich waren ein Herz und eine Seele. Besonders im Urlaub haben wir uns immer ganz toll …«

Ihre Zimmertür fiel krachend ins Schloss.

Trotzdem rief meine Frau: »Und pack den Sunblocker ein, den ich dir bestellt habe, ich kümmere mich da nicht mehr drum, du bist alt genug!«

Dann wandte sich Mona mir zu: »Und du stehst nur rum, oder was? Ich hab das Gefühl, ich bin die Einzige, die hier alles am Laufen hält. Wir brauchen die Ausweise und die Impfpässe, und jemand sollte den Anrufbeantworterspruch ändern. Das ist jetzt echt mal dein Job.«

Ich wusste, dass es wenig Sinn hatte, am Vorabend unserer Abreise in den – aus mir inzwischen nicht mehr erfindlichen Gründen lang ersehnten – Jahresurlaub noch einen Streit vom Zaun zu brechen. Und meine Frau hatte in den letzten Tagen neben ihrem Job als Gitarrenlehrerin in der Musikschule wirklich ein paar Kleinigkeiten erledigt, zu denen ich beim besten Willen nicht mehr gekommen war.

»Mach ich, Schatz, kein Problem, ich fliege«, flötete ich und verkniff mir den Hinweis auf das Kick-off-Meeting mit einem der größten Kunden unserer Werbeagentur, das mich trotzdem nicht davon abgehalten hatte, die Hauptlast unserer Reisevorbereitungen zu tragen. Außerdem hatte ich Himmel und Hölle in Bewegung gesetzt, um für meine ältere Schwester Nicole noch ein Feriendomizil neben unserem zu bekommen, weil sie sich vor einer Woche spontan entschlossen hatte, uns in den Urlaub zu begleiten. Niki, nach einer Scheidung wieder Single, kinderlos und auf der Suche nach dem tieferen Sinn in ihrem Leben, fiel vor allem zu Urlaubszeiten und Weihnachten ein, wie wichtig es doch sei, dass man als Familie zusammenhielt.

Die Zimmertür meines Sohnes öffnete sich. Jakob stand in Shorts und T-Shirt vor mir, die halblangen Haare im Nacken zusammen