: Christian Schacherreiter
: Wo die Fahrt zu Ende geht
: Otto Müller Verlag
: 9783701362318
: 1
: CHF 15.30
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: Erzählende Literatur
: German
: 300
: Wasserzeichen
: PC/MAC/eReader/Tablet
: ePUB
Dora und Hannes lernen einander kennen, als sie noch an die Utopie der klassenlosen Gesellschaft glauben. Im studentischen Umfeld der 70er Jahre bahnt sich eine verquere Liebesbeziehung mit Komplikationen an. Die unerwartete Wiederbegegnung nach mehr als dreißig Jahren schwemmt viele Erinnerungen an die Oberfläche, und beide sehen sich mit den ramponierten Idealen ihrer Vergangenheit konfrontiert. Einem sanften Aufglühen ihrer gemeinsamen Geschichte im 'Nachsommer der Revolution' stehen abermals Hindernisse, Verwirrungen und offene Fragen über bislang unbekannte Bedürfnisse entgegen. Sie stören jene Lebensruhe, die Hannes mittlerweile so sehr schätzt. Auf pointierte, unterhaltsame Weise erzählt Christian Schacherreiter Lebensgeschichten, die geprägt sind von der Suche nach Sinnstiftung und Zugehörigkeit.

Christian Schacherreiter, geboren 1954 in Linz, aufgewachsen im Innviertel, Studium der Germanistik und Geschichte in Salzburg, Ex-Kabarettist (Fratt& Schacherreiter, ausgezeichnet mit dem 'Salzburger Stier' 1982), 1982-1992 freier Mitarbeiter des ORF, seit 1999 freier Mitarbeiter der Oberösterreichischen Nachrichten, Lehrbeauftragter für Literatur an der Pädagogischen Hochschule der Diözese Linz, Direktor des Georg-von-Peuerbach-Gymnasium . Zahlreiche Veröffentlichungen zur Literatur und Sprache und ihrer Didaktik. Im Otto Müller Verlag erschienen: Diese ernsten Spiele. Eine Kindheit im Innviertel (2011)

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Weiche dieser Begegnung aus! Das war mein erster Gedanke, als ich sie wiedererkannte. Noch war die Gelegenheit günstig, denn Dora hatte mich nicht gesehen. Sie wartete auf den Linienbus. Ich kam soeben aus der Bäckerei, wo ich Salzgebäck für den Abend gekauft hatte. Ich stand im Türrahmen, ich hätte umkehren können, hätte mich unter dem Vorwand, auf einen Einkauf vergessen zu haben, an die Verkäuferin wenden und mit ihr plaudern können. Ich bin Stammkunde seit mehr als zwanzig Jahren. In der Zwischenzeit wäre der Bus gekommen, Dora wäre eingestiegen, und ich wäre wieder frei gewesen vom Vergangenheitsgespenst, das ich gerne auf dem Dachboden verstauben lasse oder im Keller vor dem Tageslicht schütze. Ich brauche keine Vergangenheit, die Gegenwart genügt mir, und die Zukunft überlasse ich den Fortschrittsfuchtlern. Eine merkwürdige Haltung für einen Historiker? Nein. Ich spreche nicht von den Gegenständen der Wissen schaft, ich spreche vom Privaten. Ich bin Experte für regionale Kulturgeschichte, aber nicht für meine Bio grafie. Niemand ist Experte für seine eigene Biografie.

Weil ich nicht meinem ersten Schreckgedanken folgte, sondern einer stärkeren, möglicherweise verlockenderen Kraft, überquerte ich trotz des starken Frühabendverkehrs die Straße und sagte: „Hallo, Dora“.Hallo ist eine sehr dumme Grußformel. Trotzdem verwende ich sie immer öfter.Hallo geht mir mit ärgerlicher Selbstverständlichkeit über die Lippen, während ich mich für einGrü