Faust. Der Tragödie Zweiter Teil
Was in Wahnsinn und Verzweiflung endete, setzt auf anderer, buchstäblich ausgeruhter Ebene neu ein. In einer zeitlos anmutigen Gegend liegt Faust auf einer Wiese voller Blumen. Der Luftgott Ariel befiehlt seinem Geisterkreis, dem Unruhigen zu helfen: »Besänftiget des Herzens grimmen Strauß, / Entfernt des Vorwurfs glühend bittre Pfeile, / Sein Innres reinigt von erlebtem Graus.«
Allmählich löst ein tiefer Heilschlaf Sinn und Glieder des Verzweifelten. Als sich der neue Tag ankündigt, erwacht er gestärkt und spürt: Des »Lebens Pulse schlagen frisch lebendig«. Er ahnt die aufgehende Sonne in seinem Rücken und sieht überm Wasserfall den bunten Regenbogen: »Der spiegelt ab das menschliche Bestreben. / Ihm sinne nach, und du begreifst genauer: / Am farbigen Abglanz haben wir das Leben.« Und farbig verspricht auch die neue Geschichte zu werden, die uns vom Mittelalter zurück in die Antike, dann wieder in Fausts Epoche führt und schließlich dort endet, wo sie einst begann: in himmlischen Gefilden.
Im Thronsaal des jungen Kaisers hat sich der prächtig gekleidete Staatsrat versammelt. Als der Herrscher den Raum betritt, erfährt er gleich das Neueste: Der alte Narr ist tot. »Man trug hinweg das Fettgewicht«. Doch wunderbarerweise sei gleich ein neuer zur Stelle gewesen, mundfertig wie selten einer. Er habe schon seinen Platz zur Linken des Throns eingenommen, so wie der Astrologe zur Rechten steht. Flugs soll er kommentieren, was die Herren Minister vorzubringen haben. Wer den Schalk kennt, wird nicht an dessen Kompetenz zweifeln, ist es doch kein anderer als Mephisto. Ob Kanzler, Marschall, Heer- und Schatzmeister, alle jammern sie, und alles Jammern läuft auf immer dasselbe hinaus: Es fehlt am Geld!
Nachdem der Teufel reichlich Gebrauch gemacht hat von der Freiheit des Narren und den hochmögenden Herren seine gepfefferten Wahrheiten in den Nasen jucken, kommt er mit einem erstaunlichen Vorschlag: Hat nicht vor jedem Krieg und in allen Notzeiten das Volk seine Schätze in der Erde vergraben? Und wem gehört die? »Der Boden ist des Kaisers, der soll’s haben.« Man brauche also nur noch Papiergeld zu drucken, schließlich sei es durch die Boden-Schätze gedeckt.
Zunächst aber ist Karneval, da will sich der Kaiser nicht weiter den Kopf über fehlende Mittel zerbrechen. Aschermittwoch kommt früh genug. Und auf geht’s zum Maskenball, der in einem weitläufigen Saal mit vielen Nebengemächern gefeiert wird. Blumen- und Früchtemasken tauchen auf, Gärtner, Fischer und Vogelsteller, Trunkenbolde, Parasiten, die Parzen und die Furien, Furcht und Hoffnung, ein nicht enden wollender Zug symbolischer Gestalten. Zwischen den vielen aber: Faust als Gott des Reichtums, und Mephisto gibt den Geizkragen dazu. Noch einmal spielt der Teufel – wie damals vor den Leipziger Studenten – sein »Flammengaukelspiel«. Diesmal ist es der Kaiser, der scheinbar in Flammen aufgeht, und die zu Hilfe Eilenden fangen ebenfalls Feuer. Aber so viel Zauberkunst hat Faust nun auch schon gelernt, um dem Spuk ein schnelles Ende zu bereiten – und dem Kaiser einen pyrotechnischen Jux, den dieser ausgesprochen genießt.
Als die Morgensonne abermals aufgeht, ist das bunte Fest zwar vorbei, dennoch ist von Katzenjammer nichts zu merken. Der Hofstaat, zu dem nun auch die beiden unbekannten Magier gehören, ist sogar ausgesprochen guter Laune. Der Marschall hat alle Schulden des Staates begleichen, der Heermeister den Soldaten ihren Lohn aushändigen können. Woher stammt das ganze Geld? Der Kanzler liest dem Herrscher jenes schicksalsschwere Blatt vor, womit alles zum Guten gewendet worden sei: »Zu wissen sei es jedem, der’s begehrt: / Der Zettel hier ist tausend Kronen wert. / Ihm liegt gesichert, als gewisses Pfand, / Unzahl vergrabnen Guts im Kaiser