: Mika Waltari
: Andreas Ludden
: Johannes Angelos Sein Tagebuch von der Eroberung Konstantinopels im Jahre 1453 am Ende des Zeitalters Christi
: Kuebler Verlag
: 9783863462444
: 1
: CHF 6.20
:
: Historische Romane und Erzählungen
: German
: 1118
: kein Kopierschutz/DRM
: PC/MAC/eReader/Tablet
: PDF/ePUB
Im Dezember 1452, ein halbes Jahr vor dem Fall Konstantinopels und dem Ende des tausendjährigen Byzantinischen Reiches, kommt ein Fremder nach Konstantinopel, ein 'Lateiner', der sich auf Französisch Jean Ange, auf Griechisch Johannes Angelos nennt. Seine Herkunft liegt im Dunkeln; man weiß nur, dass er lange am Hof des Osmanensultans Mehmed geweilt hat. Johannes schließt sich den Verteidigern der Stadt an und wird zum engsten Mitarbeiter des genuesischen Söldnerkommandanten Giovanni Giustiniani, der sich mit seinen Soldaten in den Dienst des byzantinischen Kaisers gestellt hat, denn tagtäglich erwartet man den Angriff des übermächtigen osmanischen Heeres. Johannes verliebt sich in Anna Notaras, die Tochter des Anführers der türkenfreundlichen Partei am byzantinischen Kaiserhof. Ihr enthüllt er schließlich auch das Geheimnis seiner Herkunft ... Der in Tagebuchform verfasste Roman schildert auf packende und eindringliche Weise die letzten Monate des Byzantinischen Reiches und führt die Geschichte des Johannes Peregrinus fort. Unter dem Titel 'Der dunkle Engel' war der Roman auf dem deutschen Buchmarkt bisher nur in einer gekürzten, über mehrere Brückensprachen erfolgten Übertragung erhältlich. Diese Neuübersetzung, die bei Kuebler Verlag erscheint, ist ungekürzt und wurde direkt aus dem finnischen Original ins Deutsche übertragen.

Mika Waltari (1908-1979) gehörte zu den produktivsten finnischen Autoren des 20. Jahrhunderts. Er ist in seiner finnischen Heimat nach wie vor äußerst populär und hat dort den Status eines modernen Klassikers. Sein Werk umfasst rund hundert Titel, darunter Romane, Erzählungen, Theaterstücke, Reiseberichte, Drehbücher und Hörspiele. Im Ausland wurde er besonders durch seine historischen Romane bekannt, denen oftmals der Sprung auf die Bestsellerlisten gelang ('Sinuhe der Ägypter', 'Michael der Finne', 'Michael el-Hakim', 'Johannes Angelos', 'Turms der Unsterbliche', 'Minutus der Römer' und andere). Sie zeichnen sich sämtlich durch sorgfältige Recherche aus und schildern auf packende Weise menschliche Schicksale in verschiedenen Epochen.

Dezember 1452

12. Dezember 1452

Ich sah dich zum ersten Mal und sprach mit dir.

Es war, als wäre ein Erdbeben über mich hinweggegangen. Alles wankte in mir, die innersten Gruben meines Herzens brachen auf, und ich kannte mich nicht wieder.

Ich war vierzig Jahre alt und glaubte, nun im Herbst des Lebens zu stehen.

Ich war viel umhergewandert, hatte viel erlebt und viele Leben durchlebt.

Gott hatte in mancherlei Gestalt zu mir gesprochen; Engel waren mir erschienen, aber ich hatte ihnen nicht geglaubt.

Als ich dich sah, glaubte ich, da mir nun ein solches Wunder widerfahren war.

Ich sah dich vor der Sophienkirche, bei den Bronzetoren. Sie kamen alle aus der Kirche heraus, in der vorgeschriebenen zeremoniellen Ordnung, nachdem Kardinal Isidor auf Lateinisch und Griechisch die Vereinigung der Kirchen verkündet hatte. Da herrschte eisige Stille in der Kirche. Sodann leitete er eine glanzvolle Messe und las dabei auch das Glaubensbekenntnis. Als er zu dem Zusatz »und vom Sohne« gekommen war, schlugen viele die Hände vor das Gesicht, und auf den Emporen hörte man die Frauen bitterlich schluchzen. Ich stand in dem Gedränge im Seitenschiff neben einer grauen Säule. Als ich sie mit meiner Hand berührte, spürte ich, dass sie feucht war, so als hätte selbst die steinerne Säule kalten Schmerzensschweiß ausgeschwitzt.

So kamen sie alle aus der Kirche heraus, in der seit Jahrhunderten vorgeschriebenen zeremoniellen Reihenfolge, in ihrer Mitte der Basileus, Kaiser Konstantin, ernst und aufrecht, das schon ergraute Haupt unter den goldenen Bügeln seiner Krone. Sie kamen, und der Kleiderstoff jedes Einzelnen von ihnen, samt jeweiliger Farbe und Schmuck, all das war zeremoniell festgelegt, bei den Beamten vom Palast zu Blachernae, den Ministern, Logotheten und Anthypatoi, allen Senatsmitgliedern und den ihnen folgenden Archonten von Konstantinopel, geordnet nach Herkunft und Geschlecht. Keiner hat es gewagt, demonstrativ nicht zu erscheinen. Zur Rechten des Kaisers ging sein Staatssekretär Sphrantzes, der mit seinen kaltblauen Augen das Volk betrachtete. Ihn kannte ich nur allzu gut. Unter den Lateinern erkannte ich auch den Bailo der Venezianer und so manchen anderen wieder.

Megadux Lukas Notaras, den Großherzog und Befehlshaber der kaiserlichen Flotte, hatte ich bisher noch nicht gesehen. Er war einen Kopf größer als die anderen, ein dunkler und hochmütig auftretender Mann. In seinen Augen blitzte Spott auf, gepaart mit Intelligenz, während sich in seinem Antlitz dieselbe sehnsuchtsvolle Melancholie widerspiegelte, die für die Angehörigen der alten griechischen Geschlechter typisch ist. Als er aus der Kirche trat, machte er einen erhitzten und zornigen Eindruck, so als könnte er die furchtbare Schande nicht ertragen, die seine Kirche und sein Volk nun erleiden mussten.

Die Farben der Gewänder, das griechische Blau und Weiß, die mit Gold und Perlen besetzten Zeremonialmäntel und die verschiedenfarbigen Edelsteine blendeten das Volk. Die Sonne schien, und auf dem Platz vor der Kirche stand das Volk dicht gedrängt. In der Menge waren bärtige, bald verzweifelt, bald grimmig dreinblickende Mönche in ihren schwarzen Gewändern und ihren hohen schwarzen Kapuzen, fanatisierte Handwerker und Kaufleute, Seeleute vom Hafen und Fischer. Aber die meisten waren Mönche. Jeder Dritte, der mir auf den Straßen entgegenkam, war ein Mönch. Schon Hunderte von Kirchen gehörten zu Klöstern, sodass der vom Papst anerkannte Patriarch, Gregorios Mamas, welchen das Volk nur den falschen Patriarchen nannte, eigentlich nur noch über sieben Kirchen gebot.

Als die Reitpferde an den Zügeln herangebracht wurden, entstand ein Tumult; aus dem Volk begannen Rufe zu ertönen, darunter auch Flüche über die Lateiner. »Weg mit den unerlaubten Zusätzen! Nieder mit der Papstherrschaft!«, rief man. Ich wollte nicht hinhören. Das alles hatte ich schon bis zum Überdruss in den Tagen meiner Jugend gehört. Aber die Wut und Verzweiflung des Volkes war wie ein Sturmgewitter und ein Erdbeben. Bis die sangesgeschulten Stimmen der Mönche das Volk dazu brachten, wie aus einer Kehle den einen Ruf liturgieartig zu wiederholen: »Nicht vom Sohne, nicht vom Sohne!« Es war der Tag des heiligen Spyridon von Trimythunt.

Als das Gefolge adeliger Frauen aus der Kirche nach draußen drängte, befand sich ein Teil des kaiserlichen Gefolges bereits mitten unter dem Volk, das, angestachelt vom Takt der Rufe, wogte und gegen das Gefolge andrängte. Nur in unmittelbarer Nähe der heiligen Gestalt des Kaisers war noch freier Raum. Konstantin saß bereits im Sattel, und sein Antlitz war dunkel vor Kummer. Bekleidet war er mit dem goldbestickten Purpurmantel, und an den Füßen trug er die mit dem doppelköpfigen Adler verzierten Purpurstiefel.

So erlebte ich als Augenzeuge die Verwirklichung eines jahrhundertealten Traums: die Vereinigung der östlichen mit der westlichen Kirche, die Unterwerfung der rechtgläubigen orthodoxen Kirche unter die päpstliche Gewalt und die Aufgabe des ursprünglichen, von Zusätzen freien Glaubensbekenntnisses. Dadurch, dass Kardinal Isidor die Vertragsurkunde in der Sophienkirche öffentlich verlas, hatte diese Union nun nach mehr als einem Dutzend Jahren der Verschleppung und Verzögerungstaktik endlich Gültigkeit erlangt. Im Dom von Florenz war sie vierzehn Jahre zuvor auf Griechisch von Metropolit Bessarion, dem hochgewachsenen und rundköpfigen Gelehrten, verlesen worden. Ihn hatte Papst Eugen IV. zum Kardinal erhoben, genauso wie auch Isidor, zum Lohn für beider Verdienste um das schwierige Versöhnungswerk.

Aber das war nun schon vierzehn Jahre her. Damals, am selben Abend noch, hatte ich meine Bücher und Kleider verkauft, mein Geld unter die Armen verteilt und war aus Florenz geflohen. Fünf Jahre später nahm ich das Kreuz. Während nun das Volk lärmte, erinnerte ich mich an die Bergpfade bei Assisi und das Leichenfeld von Warna.

Als die Rufe plötzlich verstummten, blickte ich auf und sah, dass der Megadux Lukas Notaras auf eine Erhöhung vor der gelben Säulenkolonnade sprang. Mit ausgestreckten Armen gebot er dem Volk Ruhe, und der beißende Dezemberwind trug mir seinen lauten Ruf ans Ohr: Lieber den türkischen Turban als die päpstliche Mitra!

Als das Volk und die Mönche diese trotzige Losung hörten, brach alles in frenetische Jubelrufe aus. Das griechische Volk von Konstantinopel schrie und brüllte triumphierend: Lieber den türkischen Turban als die päpstliche Mitra! Auf die gleiche Art hatten einst die Juden gerufen: Nicht diesen, sondern Barabbas!

Eine ganze Reihe Adeliger und Archonten aus dem Zeremonialgefolge scharte sich demonstrativ um Lukas Notaras und bezeugte damit, dass sie diesen unterstützten und offen dem Kaiser trotzten. Schließlich wich das Volk zurück, und der Kaiser konnte sich mit seinem kleiner gewordenen Gefolge entfernen. Das Gefolge der adeligen Frauen drängte noch immer durch das riesige Bronzetor zur Kirche heraus, löste sich aber sofort auf dem Platz in der lärmenden Volksmenge auf.

Besonders gespannt war ich darauf, wie das Volk Kardinal Isidor empfangen würde, der ja selbst Grieche war und wegen der Union schon so mancherlei Ungemach auszustehen gehabt hatte, – wohl deshalb kam er gar nicht erst aus der Kirche heraus. Die Kardinalswürde hatte ihn nicht gerade beleibter werden lassen. Er war derselbe kleine Mann mit den pfefferfarbigen Augen und schien magerer als früher, seitdem er sich nach Art der Lateiner den Bart abrasiert hatte. Aus Ferrara und Florenz hatte ich ihn noch mit Bart in Erinnerung. Die Aufgabe eines Vermittlers ist gewiss nicht leicht. Markos Eugenikos hatte ihn verflucht und behauptet, er habe aus Kiew die Pest nach Ferrara eingeschleppt. Jedenfalls waren dort alle seine Diener an der Pest gestorben. Markos Eugenikos betrachtete das als Strafe Gottes für Isidors Verrat.

Wirr wogten die wütenden Volksmassen auf dem Platz im Schatten der mächtigen Kuppel der Sophienkirche. Im schwarzen Meer der Mönchskapuzen blinkten hier und da die farbigen Seidenmäntel und der Kopfschmuck adeliger Frauen auf, die in dem Gewühl umherirrten. Der Himmel war kalt und von bleicher Bläue, obgleich die Sonne schien.

»Lieber den türkischen Turban als die päpstliche Mitra!« Aufrichtig, aus der Fülle seines Herzens heraus, hatte Großherzog Notaras dies wohl gerufen, aus Liebe zu seiner Stadt und zu seinem Glauben, aus Hass gegen die Lateiner.

Aber auch wenn dieses sein Wort noch so ehrlich gemeint war, so entsprang es für mich doch nur kaltblütiger politischer Berechnung. Im Angesicht der aufmüpfigen Massen legte er seine Karten offen auf den Tisch, um von der Mehrheit des Volkes Unterstützung zu erhalten. Im Grunde seines Herzens vermag kein Grieche die Union gutzuheißen, nicht einmal der Kaiser. Ihm bleibt nur nichts anderes übrig, als sich zu unterwerfen und die Union ausrufen zu lassen, damit der sich daraus ergebende Freundschafts- und Beistandspakt in Kraft treten kann. Dieser verpflichtet den Papst, bei drohender Gefahr seine Flotte zum Schutz Konstantinopels zu entsenden.

Die päpstliche Flotte wird bereits in Venedig ausgerüstet. Kardinal Isidor versichert, sie werde sofort in See stechen und Konstantinopel Rettung bringen, sobald die Nachricht von der Verkündigung der Union bis nach Rom gedrungen sei. Aber seinem Kaiser...

Cover1
Schmutztitel2
Der Autor3
Der Roman4
Der Herausgeber5
Titelseite6
Impressum7
Dezember 14528
12. Dezember 14528
14. Dezember 145228
15. Dezember 145230
20. Dezember 145268
22. Dezember 145272
23. Dezember 145276
26. Dezember 14580
Januar 145387
2. Januar 145387
6. Januar 1453114
8. Januar 1453117
10. Januar 1453121
12. Januar 1453139
16. Januar 1453142
21. Januar 1453144
23. Januar 1453145
24. Januar 1453150
26. Januar 1453151
27. Januar 1453153
Februar 1453174
1. Februar 1453174
2. Februar 1453184
5. Februar 1453209
7. Februar 1453228
10. Februar 1453237
11. Februar 1453246
12. Februar 1453247
13. Februar 1453252
15. Februar 1453284
18. Februar 1453286
21. Februar 1453290
24. Februar 1453295
25. Februar 1453302
26. Februar 1453304
28. Februar 1453337
März 1453341
1. März 1453341
2. März 1453373
5. März 1453388
7. März 1453391
10. März 1453394
15. März 1453406
18. März 1453439
19. März 1453453
22. März 1453455
25. März 1453463
26. März 1453465
31. März 1453476
April 1453490
1. April 1453490
4. April 1453505
5. April 1453511
6. April 1453522
7. April 1453534
9. April 1453537
11. April 1453538
12. April 1453548
13. April 1453568
14. April 1453572
15. April 1453582
17. April 1453587
18. April 1453601
19. April 1453611
20. April 1453641
21. April 1453660
22. April 1453667
23. April 1453680
25. April 1453687
28. April 1453688
Mai 1453717
1. Mai 1453717
3. Mai 1453720
4. Mai 1453726
5. Mai 1453732
6. Mai 1453738
7. Mai 1453743
8. Mai 1453752
12. Mai 1453756
13. Mai 1453759
15. Mai 1453774
16. Mai 1453790
17. Mai 1453810
18. Mai 1453819
19. Mai 1453847
20. Mai 1453850
21. Mai 1453850
22. Mai 1453854
23. Mai 1453855
24. Mai 1453860
25. Mai 1453872
26. Mai 1453887
27. Mai 1453899
28. Mai 1453915
29. Mai 1453968
30. Mai 14531058
Nachschrift1076
Worterklärungen1085
Nachwort des Herausgebers1094
Konstantinopel A. D. 14531105
Reihe »Mika Waltari«1106
Backcover1118